Dritter Auftritt.

[174] Cardenios Zimmer. Cardenio ist mit dem Packen seines Koffers beschäftigt, Pamphilio hilft ihm.


CARDENIO. Was legst du mir all dies verfluchte Zeug in meinen Koffer, du machst doch alles heut verkehrt – fort mit den Musikalien die mich stets an jenen Unglückstag erinnern, ich singe nun sobald kein Lied. Ja hättest du nicht stets so viel gesungen, du hättest denken können was mir nütze sei, du wolltest dich nur immer selber hören.

PAMPHILIO. Laß das Geschehne, ich habe dich nach meiner Klugheit Maaß ermahnt, hab ich die[174] Furcht als Unterfutter noch dazu gemessen, die ist dir nöthig, sie fehlt dir ganz.

CARDENIO. Ja hättest du mich nur nicht stets ermahnt doch still zu sein am Hochzeitabend und nichts gewaltsam kühn zu stören, ich hätte sie mit meinem Arme ihm entrissen eh er den heiligen Körper noch entweiht – ich möchte rasend werden wenn ichs recht bedenke – sie liebte mich, hör, Doris hats mir zugeschworen daß mich Olympie geliebt – o! hätt ich keinen thöricht furchtsamen Freund gehabt, da wär ich meinem Stern gefolgt.

PAMPHILIO. Cardenio! Das wird zu arg, mein treuliches Bemühen mir zum Vorwurf jetzt zu machen, du untergräbst die Erde auf der du stehst, wenn du die Welt also verkennen und verläugnen willst.

CARDENIO packt ihn an der Brust. So hast du mich noch niemals angesehen, so von der Seite, in dir verzagend, deiner Schuld bewußt, gewiß du hast mich auch verrathen, warst mit Lysander in geheimem Bunde, wie wär er sonst so unbemerkt an jenem Abend in das Haus geschlichen wo du dein thöricht Lied dort abgesungen. – Jetzt wirst du blaß, jetzt roth, ich habe dich du Schlange, die ich an meinem Herzen einst erwärmt mit meinem Arm geschützt, du hast mein Herzblut ausgegossen, ganz unbarmherzig bin ich nun! –[175]

PAMPHILIO. Ha, du erdrückst mich Rasender zum Spaß ist das zu hart.

CARDENIO. Bekenne erst.

PAMPHILIO. So sag ich dir, der ist schon toll zu nennen, der seine Eingeweide aus dem Leibe reißt um Saiten draus zu spinnen daß er sein Lied dazu kann singen, doch wie viel toller bist du noch daß du um fremden Schmerz den eignen Freund verletzest.

CARDENIO läßt ihn los. Du wärst mein Freund was sollte dich denn mir verbinden, wie ganz unähnlich sind wir doch einander, wie solltest du allein mir treu geblieben sein da alles mich verrathen.

PAMPHILIO. So glaub nur einen Augenblick daran und fühle so, was Freundschaft heißt, ich bitte dich glaub doch an Gott, es kostet dir ja nichts und dann hast du das ewge Leben ganz umsonst.

CARDENIO. Sonst, eh mich Gott um meine Lieb betrogen da hab ich auch an Freundschaft viel geglaubt, nein, so gemein hätt ich den Himmel nicht geglaubt, das alles was in mir noch edel, recht zum Verderben gegen mich zu kehren; wär ich ein schlechter Kerl gewesen, hätt ich mich eingeschlichen ins Gemach der Jungfrau, ich könnt jetzt glücklich leben wie Lysander. Fort, alter Freund, du hast ein ehrliches Gesicht, es hat der Himmel dich damit gezeichnet und bestraft um dich dem Unglück preis zu geben, du bist[176] ein Unglücksvogel, verlasse mich, ich brauch das Glück und auch die Sünde.

PAMPHILIO. Gedenke deiner armen Seele bei solchem schnöden Lästern, gedenke, wenn du mich verstoßen so bist du ganz allein, die Raben die das Haus umschreien, sie warten schon auf deinen Leib, denn wie du jetzt so unvorsichtig bist, wird bald des Spielers und des Juden Tod aus deinem eigenen Munde ruchbar werden; es lassen die Gesetze sich mit höherer Bestimmung nicht abweisen; wie ich die guten Tage froh mit dir durchlebt, so will ich sorgsam dich in bösen auch begleiten.

CARDENIO. Fort züngelnde Schlange, fort Mephistopheles, trag ich nicht meine Sünde, kannst du von meinem Haupt sie wälzen, was rufst du sie mir in die Seele schmerzlich; ist das die Freundschaft deren du dich rühmst, im magischen Hohlspiegel der Furcht mein eignes Schreckenbild dies ausgebrannte Haupt, das rings die Furien umgaukeln, mir fabelhaft vergrößert vorzustellen? Nur deinetwegen ist der Wagner, der Hauptmann und der Jude gewaltsam hingestorben, dein Trost hat mich leichtsinnig stets gemacht in deiner Worte Spiel hab ich das Treiben einer Welt vergessen; wärst du an meiner Seite nicht gewesen ich hätte längst schon Hand an mich gelegt, wie es mir Pflicht gewesen; mit Flitterstaat willst du mir diesen Leichenzug der Welt bemalen, denk jetzt, wie[177] purpurroth dein Blut dies Zimmer wird verzieren. Fort, oder – Er zieht den Degen, Pamphilio flieht.

CARDENIO. Er ist von mir erlöst – weh, weh! Entströmt ihr Thränen jetzt, wie überflüssige Gedanken die mich zerstreuend stören, fließet all dem langgewöhnten Freunde nach, was nun beginnt, bedarf der Thränen nicht. – So ist der letzte Kampf gekämpft – der innre Unmuth hat ihn mir erleichtert; ganz einsam gehe ich der Zeit entgegen, doch die Rache mit heller Fackel zeigt mir und meinem Degen viel tausend Wege zu Lysanders Herz! – ich hoff er wird sich etwas wehren, es wär mir lieb, sterben muß er – er hätte einen schnödern Tod verdient, fühlen hätte er sollen was er mir geraubt, indem er in dem Besitze mich sah. List und Gewalt, ihr dienet dem Verzweifelnden; Olympie, nur eine Stunde mit der Sonne unsrer Liebe dich zu bleichen von dem fremden Frevel, dich zu glühen mit der eignen Lust! – Es wird die Zeit mir auch noch kommen! – Ich will genießen, das fördert überall der Himmel, das lohnet er mit Wohlsein und mit Freude. Der Mensch verkennt so oft das ganz Natürliche was jedem in das Herz geschrieben ist. Als ich noch schmachtete im Mondenscheine ganz heimlich wo mich keiner belauschte, als ich noch mit den Blumen lebte, mit ihrem Duft, der sich in Himmels-Höhen für die Engel sammelte, die blaue Höh von tausend lächelnden Kinderköpfen Morgens[178] roth durchglänzet sah, die auf bunten Flügeln schwebten, mir winkten und ihr geschlechtlos Leben priesen, als ich entsagte noch und duldete, so fromm und keusch, da wäre ich als rechter Narr in meinem Innern ausgedürrt, in meinem Äußern bald verschwunden, bei Gott ich seh schon frischer ans da meine Lust zu ihrem Ziele strebt, ich weiß doch was ich will auf Erden; was unserer Natur sich nicht ergiebt, in uns gerissen wird, das dienet nicht der Erde, nicht dem Himmel. Das Allthier Gott ernähret sich nur gut, wenn wir, die seine Eingeweidewürmer sind, das Unsere auch lustig zehren, und dann ganz ruhig schlafen, ihn nicht erwecken mit unsern Strebungen nach Licht, das uns nur blendet, mit unsrem Drängen nach Vollendung, die uns doch nimmer werden kann. Es ist ein ekelhaftes Wesen diese Welt, dem Herrlichsten liegt ach das Schmutzigste so nah, besonders in Gedanken. Ich bin auf einmal müde dieser Welt, ich will mich ausruhn, eh ich was beginne.


Er setzt sich auf den Koffer.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 174-179.
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