Siebentes Bild

[698] Die schöne Braut war von Müdigkeit überwältigt, im Gemache der Mutter eingeschlummert und ihr Schlaf war lang. Der König gönnte sich nur kurze Rast, es trieb ihn die Sehnsucht nach dem alten Sänger, der gleichsam eine Seele seines Volkes, unbewußt sein Schicksal gelenkt hatte. Er sorgte für die Sicherheit seine Braut und zog mit den rüstigsten Grafen und den wegkundigsten Gebirgsjägern in den großen Schwarzwald. Er selbst ging voran weil er an den bedeutendsten Punkten Zweige eingebrochen hatte auch fand er bald diesen seinen Weg, den ihm der Knabe gezeigt hatte, nur fehlten jetzt alle die Brücken, auf denen er über Abgründe sicher hingeschritten. Diese Verbindungen schienen mit Absicht vernichtet zu sein. Aber der König ließ sich dadurch nicht abhalten; die Gebirgsjäger, obgleich sie diesen wilden Teil des Waldes nur selten berührt hatten, wußten doch aus ihrer Erfahrung guten Rat, die schroffsten Felsen zu umgehen und Wege zu bahnen die Jäger erlegten die zornigen Bewohner der Wildnis, die ihnen nahten, Bären, Wölfe, Luchse. Zwei Tage arbeiteten sie mit frischem Mute, aber am dritten wurden alle stiller und langsamer mancher meinte, es sei unmöglich, daß der König in einer Nach diese Wege gewandelt sei, er müsse wohl geträumt haben. Darum waren alle sehr überrascht, als sie wirklich beim Aufgange de dritten Tages in einer grünen Fläche, die von hohen Eichen um geben war, eine wunderbare Kapelle erblickten, die aus hoch stämmigen, weiß blühenden Rosenbüschen geflochten, von Epheu umrankt, ein Kreuz über der Erde bildete. Der König ging voran um den alten Freund durch die Zahl der Gäste nicht zu erschrecken ihm folgten die andern. Als aber der König die Türe öffnete, sah er einen einfachen Altar, wo wenige Tage vorher der Alte geschrieben hatte, ein Kreuz bezeichnete ihn und die Morgensonne glänzte prachtvoll hinüber. Alle knieeten nieder, der König beschloß, dem Erlöser hier, wo er vom Trübsinn zur Freude erlösworden, eine Kirche zu erbauen. Und als er über die Art diese[698] Baues nachsann, erblickte er auf dem Altar den Bau vieler Bienen, welche in ihrem Wachs die Kapelle im kleinen nachgebildet hatten.


Gleich der freundlichen Kapelle

Ist der Wachsbau ausgeführt,

Von dem Turme bis zur Schwelle

Gleiches Maß darin regiert.

Einsam bauten diese Bienen

Wohl schon manche liebe Zeit,

Daß sie diesem Altar dienen,

Daß ein Schränklein sei bereit,

Um das Heil'ge drin zu stellen

Und des heil'gen Nachtmahls Brot,

Das der Priester den Gesellen

Bei des Baues Gründung bot,

Denn da flogen sie zur Sonne,

Wie ein Kreuz geordnet hin,

Daß Vertrauen mit der Wonne

Sel'ger Tränen weicht den Sinn.

Dreifach wird die Kirche schimmern

In dem Wachs, im Rosendach,

Aus Granit die Werkleut zimmern

Nun die Wölbung auch danach.


Die beiden Kapellen und die Gründung der Kirche zeigt das Bild, alle dreie einander gleich, nur in verschiednem Maße.

Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Romane und Erzählungen. Bde. 1–3, Band 1, München 1962–1965, S. 698-699.
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