129.

Das anmuthige Endlich.

[279] 1.

Endlich soll das frohe Jahr

Der erwünschten Freyheit kommen!

Seht! Der Geist wirds schon gewahr/

Hats im Vorrath angenommen.

Seht! Er triumphiret schon/

Geht einher in Sieges Kräntzen/

Wartend bey der Feinde Hohn.

Auff den neu bekrönten Lentzen.

Freunde/ nicht Feinde/ die sollens erblicken/

Langes Verlangen soll Kinder erquicken.


2.

Endlich wird das Seufftzen still/

Und das Hertze ruhig werden/

Wenn Papa es haben will

Daß die Lieben/ die bewährten/

Auß dem finstern Kercker gehn/

Band und Eysen von sich schmeissen/

Und nicht mehr von ferne stehn/

Sondern Ihn in einem preissen.[279]

Harte Chaldeer/ ihr müsset uns weichen/

Laodiceer/ ihr sollt wol erbleichen.


3.

Endlich wird man Pflanzen sehen

Gott zu Preiß in seinem Garten/

Wenn man wird bey Paaren gehn/

Und nicht mehr in Hoffnung warten/

Sondern eins dem andern wird

Können seine Führung zeigen/

Jeder wird als nur ein Knecht/

Allen in der Demuth weichen:

Weichen/ sich beugen zur Einigkeit Bande/

Singen und springen in lieblichem Lande.


4.

Weg Vernunfft und Zweiffel-Wind

Eigen Lieb und eigen Ehre!

Wer hier nichts in Einfalt findt/

Wiß/ daß er die Hoffnung stöhre/

Und der Liebe Schmack verdarb/

Die doch unvermischt soll bleiben.

Was in ihr noch scheinet hart/

Kan uns nicht in eins eintreiben.

Stille! Der Wille des Vaters wird zeigen/

Allen Gefallen bey kindlichem Schweigen.


5.

Wenn der Schnee verschmoltzen ist/

Pflegt der Blumen Zier zu blicken:

Wenn du auß dem Winter bist/

Wird der Lentz die Kräntze schicken/

Die noch jetzt verderbet stehn/

Doch nach kalten Schnee und Winden

Soll dein Fuß spatziren gehn/

Tausend Blumen einzuwinden/

Rosen/ Liebkosen der himmlischen Blüthe/

Engelsüß dort genieß seligster Güte.


6.

Endlich wirstu dennoch Braut/

Und dein Bruder Bräutgam heissen.

Wer dich jetzt in Neid anschaut/

Wird dich endlich selig preisen.[280]

Endlich muß der Himmel auch/

Ein beliebtes Ja-Wort sagen/

Und wer sonst nach Welt Gebrauch

Niemals hier was wollen wagen.

Endlich unendliche Herrlichkeit bringt.

Endlich die endliche Trübsal verschlingt.

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 279-281.
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