24. Die Adelsprobe.

[86] Es ist etwas dran, wenn einer von Adel ist; und darum darf er sich wol rühmen seines alten Stammes und Namens, wie jene vier thaten, der Baron von Riedesel, der Baron von Gebsattel, der von Aufseß und der von Palm. Diese saßen bei einem Gastmahle beisammen, und, als sie des Weines genug genossen, und darob fröhlich geworden, sagte der von Gebsattel zu dem von Riedesel: Ihr habt doch einen wunderlichen Namen; wer waren denn Eure Voreltern? Von Riedesel sagte: Meine Voreltern und mein Adel sind so alt, als sie christliche Zeitrechnung. Als Christus der Herr in Jerusalem glorreich einreiten wollte, gaben ihm meine Voreltern ihren Esel, weil kein Pferd vorhanden war; und um dieses Andenkens willen nennet man uns Riedesel. – Darauf sagte der von Gebsattel: Unser Stamm ist nicht jünger, und unser Verdienst nicht kleiner; denn meine Voreltern schenkten dem Herrn Christus einen Sattel, damit er desto bequemer auf dem Esel reiten könnte. Darum heißen wir Gebsattel, und rühmen uns billiger Weise deßhalb. – Nun nahm der von Aufseß das Wort: Eurer Voreltern Verdienst wäre aber zu nichte geworden, ohne die meinigen; denn, da in derselben Zeit noch keine Steigbügel üblich waren, so hoben die meinigen den Herrn Christum mit den Händen hinauf; weßhalb wir denn von demselben Tage an Aufseß heißen. – Es kam nun die Reihe an den von Palm. Der sagte: Und meine Voreltern haben unter das Volk Palmzweige ausgetheilt, um den Einzug Christi, des Herrn, recht feierlich zu machen; daher unser Name und unser Verdienst mit Recht eben so gepriesen wird, als der eurige. – So sprachen die Vier zusammen, und sie stießen die Gläser an, und tranken Gesundheit auf ihren Adel. Und das haben sie gut gemacht; denn es ist, wie gesagt, etwas daran am Adel. Wiewol freilich, wenn ein Adeliger[87] ein Unedler ist, dann – ist nichts daran, an ihm und seinem Adel.

Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 86-88.
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