Wie der Spiegelschwab der Hexe von Kriegshaber begegnet, und wie er ihr Zauberwerk vernichtet.

[192] Als drauf der Spiegelschwab den Berg hinan gen Andex ging, durch den Wald, bei einbrechender Nacht, da sah er zu seinem Erstaunen mitten auf dem Weg die Hex' von Kriegshaber, die kochte. Der Spiegelschwab ging auf sie zu, und sagte: »Was machst, alte Hex?« Diese antwortete[192] grinsend: »Ein Tränkle für Kirchweihgurgeln, wie du bist.« Und sie schöpfte, und es floß gischend, wie ein Strom, in den Kessel zurück. Dem Spiegelschwaben gefiel das Zauberstücklein, und er fragte weiter: »Was macht dein Leibbaule, der schwarze Kater?« »Er spinnt Fäden,« sagte die Hex, »um Galgenvögel zu fangen, wie du bist.« Und sie schöpfte wieder, und goß die glühende Brüh auf den Boden; und es floß fort, und zog sich, wie ein feuriger Faden um den Spiegelschwaben, und es wurde immer enger der Kreis und immer breiter der Strom. Der Spiegelschwab dachte sich: Das ist Hexerei, die einem Christenmenschen nicht schaden kann; und er foppte die Hex weiter: »Was macht der Teufel, der Kesselflicker?« Die Hex antwortete: »Kessel, um liederliche Strolchen und Diebe drin zu sieden und zu braten, wie du bist.« Und die Hex rührte immer stärker, und der Kessel floß über, und der Feuerstrom brannte ihm schon an die Sohlen. Da faßte der Spiegelschwab Muth, und er machte einen Kreuzsprung über den Kessel und die Hexe, und im Augenblick war Alles verschwunden und verstoben. Nachdem der Spiegelschwab also der Gefahr entkommen, dachte er sich: Die alte Runkunkel hat mir sicherlich den Weg zum heiligen Berg versperren wollen. Aber hinauf muß ich, trotz aller Hexen und Teufeln.


Heuchelei und Schelmerei,

Ist des Teufels Liverei.


Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 192-193.
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