[265] Virginia, Albina, Numitorius, Icilius.
NUMITORIUS.
Komm nun Virginia!
ICILIUS.
Bleib Numitor!
noch hab ich nicht mich von dem Schlag erholt! –[265]
O theure Gattinn! dich, dich – und mit dir
mein ganzes Glück, will der Barbar mir rauben?
VIRGINIA.
Ich zittre, mein Icil!
ICILIUS.
Ich nicht! – Mir ist
als ob ein Gott mir sagt: Fürchte nicht
Icil! ein großer Sieg steht dir bevor!
Ich glaub' es, fühl' es; denn unmöglich kann's
der Götter Wille seyn, daß über uns
dies Ungeheur, zum Hohn der Tugend siege.
VIRGINIA.
Du kennest ihn?
ICILIUS.
Wer kennt den Buben nicht?
den stolzesten der stolzen Claudier,
den Lasterhaftesten von allen Römern,
und – ganz zu schildern ihn mit Einem Worte –
den Liebling des Decemvirs Appius.
VIRGINIA.
Des Appius? – Wie? Marcus ist ein Liebling
des Appius?
ICILIUS.
Sein trautster Busenfreund!
VIRGINIA.
O Himmel! Welch ein Licht strahlt plötzlich mir!
Der, Der ein Busenfreund des Appius?
ICILIUS.
Und aller seiner Frevel Mitgenoß![266]
VIRGINIA.
Albina merkst du nun den ganzen Gräul
des Anschlags?
ALBINA.
Alles liegt jetzt klar am Tage.
ICILIUS.
Was? – Was Geliebte? sprich!
VIRGINIA.
Ein schreckliches
Geheimniß, nur zu denken schaudervoll!
ICILIUS.
Geheimniß? Du Geheimnisse, vor Mir?
VIRGINIA.
Nur Dieß Icil. Mit des Decemvirs Macht,
und deinem Hasse gegen ihn, bekannt,
verschwieg ichs dir: ich hätt' es ewig dir
verschwiegen, müßt' ich nicht es jetzt entdecken.
Wiß, dieser mächtige Beherrscher Roms
– liebt mich, und heischte dringend Gegenliebe.
Kein Fallstrick der Verführung, keine List
blieb unversucht. Er schickte Mittlerinnen
des Lasters mir ins Haus; versprach mir Reichthum,
erlauchten Rang, Erfüllung jedes Wunsches.
Bewarb auch um Albinens Hülfe sich
indem er Summen Goldes Ihr auch both.
Doch, mit Verachtung stets vergolten, schien
seyn Trieb seit ein'ger Zeit von Schaam erstickt.
Vielleicht entwarf indeß mit seinem Freund
er den verfluchten Plan, der jetzt beginnet.[267]
ICILIUS.
Vielleicht? nur zu gewiß! – Ha Bösewicht!
verruchter Bösewicht!
NUMITORIUS.
Der Umstand Freund
ist schreckenvoll! Wir sind verloren!
ICILIUS.
Nein!
nein Numitorius! noch sind wirs nicht!
so lang' ich athme, nicht! Noch hoff ich Schutz
zu finden; Noch ist Rom nicht ganz entblößt
von Bürgern, die dem Joch der Zehner fluchen,
und für die Freyheit gern ihr Leben opfern.
Nur auf Gelegenheit harrt noch ihr Muth.
Die zeigt sich nun; und sie soll ungenützt
uns nicht entgehn! Ich will des Wüthrichs Zweck
auf allen Gassen Roms versündigen;
um Hülfe wider ihn und Rache schrey'n;
mit Farben des Cocyt Roms Zustand schildern,
und Furien in jede Seele rufen.
Und wären, an ihr Sklavenjoch gewöhnt,
die Römer schon zu feig mir beyzustehn,
so bleibet Mir noch Muth und Kraft genug
dem Ungeheur den Dolch ins Herz zu stoßen.
NUMITORIUS.
Nur hüth', o Freund! vor Übereilung dich!
Zu großer Eifer bringt fast nie zum Ziele.
Dein Gegner Appius ist schlau; sey Du's
nicht minder! seine Macht ist fürchterlich.
Nicht fällen, untergraben muß man ihn.
Vor allem werde nun Virginius
von unsrer Feinde Zweck genau belehrt![268]
Er muß ohn' Aufenthalt das Heer verlassen,
noch diese Nacht hier einzutreffen, Nichts
ist uns so nöthig, nichts dem Appius
gefährlicher als seine Gegenwart.
Nur muß ein sichrer Bothe dieß ...
ICILIUS.
Der sey
mein Bruder! – Eh Virgin hier angelangt,
soll der Tyrann, bey allen Göttern! dich
mir nicht entreissen. – Kommt! so thätig auch
sich wider uns die Macht des Lasters zeigt,
laßt für die Tugend uns noch thät'ger seyn!
Alle gehen ab.
Ende des ersten Aufzugs.
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