108. Geizhals in Kippenheim.

[97] Vor längerer Zeit lebte in Kippenheim ein steinreicher, kinderloser Geizhals, der keinem Armen einen Kreuzer gab. In seiner letzten Krankheit nahm er, statt der vorgeschriebenen Arznei, eine andere, die er noch von einem frühern Uebelbefinden übrig hatte, und führte dadurch seinen Tod herbei. Als er dessen Herannahen fühlte, beschwur er seine Frau, ihm einen Sack voll Goldstücke mit in den Sarg zu geben, was sie auch versprach und ausführte. So geheim dies auch geschah, ward es doch von einem armen Mann bemerkt, dem dabei der Gedanke kam, daß er mit seinen vielen Kindern das Geld besser brauchen könne als der Todte. Demnach ging er in der[97] Nacht auf den Kirchhof, schaufelte die Erde über dem Sarg weg und öffnete ihn. Da sah er zwei riesenhafte Kröten, die eine auf dem Sack, die andere auf dem Gesicht des Leichnams sitzen, worüber er so erschrack, daß er, ohne das Geld zu nehmen, davonlief. Kaum war es Morgen, so begab er sich zur Wittwe des Verstorbenen und erzählte ihr alles, worauf sie mit mehreren Leuten auf den Gottesacker ging und die Kröten noch an den alten Stellen fand. Da Keines wußte, was zu thun sei, machten sie der Obrigkeit die Anzeige, welche das Grab, mit allem, was darin war, wieder zu werfen und die Erde so fest stampfen ließ, daß es nicht leicht mehr geöffnet werden konnte.

Gleich nach seinem Tode hatte der Geizhals angefangen, in seinem Haus als schwarzer Mann zu spuken. Er riß den Schlafenden die Bettdecken weg, klopfte im Keller an die Fässer, warf die Leute mit Steinen, und wenn sie darüber fluchten, lachte er laut. Nachdem dies einige Zeit gewährt hatte, ließ man einen Geisterbanner kommen; allein er richtete nichts aus, und das Gespenst erklärte ihm, daß es eben so wenig wegzubringen als zu erlösen sei. Auf dieses wurde das Haus von seinen Bewohnern verlassen und endlich, da niemand mehr hineinziehen wollte, ganz abgerissen und der Platz zu einem Garten gemacht, worin der schwarze Mann noch immer umgeht.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 97-98.
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