118. Kraft des Johannessegens.

[111] Zu Oberweier bei Friesenheim war ein Handwerksbursch durch liederliches Leben so weit gekommen, daß er[111] eine Masse Schulden und keinen ganzen Rock mehr hatte. Hierüber betrübt nachdenkend, ging er eines Tages durch den Wald und begegnete einem stattlichen Mann in grünen Kleidern, der ihn fragte, warum er so traurig sei. Der Bursch schilderte ihm seine Lage, worauf der Mann, welcher der Teufel war, erwiederte: »Du kannst von mir Geld genug bekommen, wenn du nach drei Jahren mein sein und, zu dessen Bekräftigung, dich mit deinem Blut in dies Buch einschreiben willst.« Dabei hielt er ihm ein Buch und eine Feder hin, die der Bursch ergriff und, nachdem er sich den Finger geritzt, in das hervorquellende Blut tauchte und damit seinen Namen in das Buch schrieb. Auf dieses bekam er gleich so viel Geld, als er tragen konnte, und später oft noch weit mehr, da er in den drei Jahren ein sehr üppiges Leben führte. Als sie abgelaufen waren, fürchtete er sich, allein zu bleiben und setzte sich ins Wirthshaus zu seinen Genossen, die sich vergebens bemühten, ihn zu erheitern. Endlich fragte einer derselben, der sein bester Freund war, ihn um die Ursache seiner Niedergeschlagenheit, und nachdem er sie in der Nebenstube, wohin beide gegangen waren, erfahren hatte, sagte er: »Mache dir keine Sorgen, und setze dich wieder zu uns; laß aber von dem köstlichen Wein kommen, womit du uns manchmal bewirthet hast, und wenn der Teufel sich einfindet, so gieb mir ein Zeichen.« Hierdurch etwas beruhigt, ging der Bursch mit seinem Freunde wieder zu den andern und ließ von dem bewußten Weine bringen. Bald darauf kam der Mann mit den grünen Kleidern in die Stube, grüßte die Gesellschaft und sagte zu dem Bursche, er möge mit ihm hinausgehen. Derselbe stand auf, um ihm zu folgen, gab aber seinem Freund ein Zeichen, worauf dieser sein[112] Glas voll Wein ergriff und es ihm mit den Worten: »Da hast du auch noch Johannessegen, nimm ihn mit!« so auf den Rücken warf, daß er ihn ganz beschüttete. Da der Wein den Johannessegen hatte, so schützte er gegen den Teufel, der auch sogleich verschwand und sein Recht auf den Bursch verloren hatte.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 111-113.
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