83. Unterirdische stehlen ein Kind.

[64] Früher, so erzählte eine alte Frau aus Witzin, war es in meinem Dorfe und in der ganzen Sternberger Gegend Sitte, daß man bei neugeborenen Kindern des Nachts ein Licht brennen ließ, bis es getauft war. Einer Frau, die das versäumte, stahlen die Unterirdischen ihr Kind und legten ihr das eigene hin. Die Mutter, die am anderen Morgen die Vertauschung bemerkte, fragt ihre Nachbarin[64] um Rath, diese räth ihr, ›durch ein Ei zu brauen‹1. Als die Mutter den Rath befolgt, rief der Wechselbalg, der bis dahin keinen Laut von sich gegeben, aus


›Ik bün so olt

as Böhmer Gold,

doch sonn Brug'n heww ik noch nie seihn.‹


Da rief die Frau ›Täuf, nu sall di dei Düwel halen, du büst jo gor nich min Kind.‹ Da entstand plötzlich ein gewaltiger Lärm, das Wechselkind war verschwunden und die Mutter erhielt ihr Kind wieder.


Seminarist G.P. aus Zarrentin.

1

Dies geschieht so, daß das Ei an beiden Enden geöffnet wird, doch muß das eine Loch größer sein als das andere; dann gießt man in das größere Loch Wasser hinein und läßt es durch das kleinere tröpfeln.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 64-65.
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