3.

[69] Am Ende des vorigen Jahrhunderts und zu Anfang des jetzigen lebte in Schwerin ein Hofconditor Rauer, ein sehr redlicher allgemein geachteter Mann. Derselbe hatte im Schlosse ein eigenes Dienstzimmer, wo er seine Hofkleidung und seine Apparate aufbewahrte, und zwar in einem verschlossenen Wandschrank. Ueber die Erzählungen vom Petermännchen pflegte er nur zu lächeln und erklärte sie für Aberglauben. Eines Tages legte er eine sehr künstlich gearbeitete Tuchnadel seiner Frau, ein Herz vorstellend, über dem sich zwei Tauben schnäbelten, deren Augen kleine Diamanten waren und das überall reich mit kleinen Perlen und Stücken Email besetzt war, in diesen Schrank, verschloß die Thür desselben und das Zimmer und begab sich nach Hause. Am anderen Morgen, wo er wieder Dienst hatte, wollte er den dazu nöthigen Anzug aus jenem Schranke holen, fand aber zu seinem Erstaunen die Tuchnadel in ihren einzelnen Theilen auseinander genommen und Diamanten und Perlen und viele Kleinigkeiten an sich unverletzt in kleinen Häufchen sortirt daliegen. Alles war so zerlegt, daß kein Goldschmied es wieder zusammenbringen konnte. Seit dieser Zeit wurde ihm noch mancher andere Schabernak bei verschlossenen[69] Thüren gespielt und der Mann ward nun aus einem Ungläubigen ein Gläubiger und leugnete nie wieder die Existenz des Petermännchen, befahl aber seiner Familie, nie von diesem räthselhaften Wesen zu reden.


Von einer Tochter des genannten Rauer, durch Präpositus Schenke.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 69-70.
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