6.

[70] Petermännchen sah einmal, wie ein Soldat, der in den fürstlichen Gemächern Wache hielt, die ihn umgebenden Herrlichkeiten betrachtete. Da wollte es ihn auf die Probe stellen, erschien plötzlich in dem Zimmer und forderte ihn auf, sich einige von den Kostbarkeiten in die Tasche zu stecken. Der Soldat aber weigerte sich; als Petermännchen das hörte, bat es den Soldaten, ihm einen Gefallen zu thun, sobald er abgelöst sei; es sei keine Gefahr dabei, wohl aber ein schöner Verdienst zu machen. Der Soldat willigte ein. Als er frei war, führte ihn das Männchen durch allerlei unterirdische Gänge[70] und Gemächer, die es mit seinen Schlüsseln, deren es einen ganzen Bund am Gürtel hatte, öffnete. Zuletzt kamen sie in ein Zimmer, da bat ihn das Männchen, von einem Schwerte alle Rostflecken abzuputzen. Das gelang ihm auch bis auf einen ganz kleinen, und eben wollte er diesen auch noch putzen, als ein gewaltiger Donnerschlag erfolgte und ihm die Sinne schwanden. Als er zum Bewußtsein erwachte, befand er sich am Schloßthore. In seiner Tasche fühlte er etwas Schweres; es waren drei Stangen gediegenen Goldes, von dem er sich, als er ausgedient hatte, ein schönes Gut kaufte. Erst kurz vor seinem Tode theilte er seiner Familie mit, wie er zu dem Gelde gekommen war.


Niederh. 2, 215 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 70-71.
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