407. Die drei steinernen Kuchen.

[304] Unter den vielen von Plessen der Vorzeit befindet sich auch ein gewisser Helmold von Plessen mit dem Spitznamen ›der Kuchenbäcker‹. Mit der Ertheilung des letztern Namens soll es folgende Bewandtniß haben. Helmold's von Plessen Vater war Besitzer von Barnekow. Einmal, zur Zeit der Ernte, als Helmold noch ein zarter Knabe war, entfernte er sich, ohne daß man es bemerkte, zu weit von seiner väterlichen Burg und ward da von einem mit Kuchen handelnden Weibe aufgegriffen und entführt. Alle Länder der Nachbarschaft durchziehend mit ihrer Waare, bei deren Verkauf Helmold ihr hilfreiche Hand leistete, kam die Frau auch nach dem Harze und auf das Haus Plesse, woselbst sie ihre Kuchen verkaufte. Der Herr der alten Plesse sah mit Verwunderung den schönen Knaben an und fragte neugierig ›Ist dieser Knabe euer Sohn?‹ Obgleich die Alte dies bejahte, so glaubte er doch nicht daran. Er fragte also den Knaben ›Wie heißest du?‹ ›Plessen,‹ antwortete er. Jetzt mußte das Weib erzählen, auf welche Weise sie zu dem Knaben gekommen, und sie konnte nicht leugnen, daß sie ihn aus dem Meklenburgischen entführt habe. Hierauf sandte der Herr von der Plesse den Knaben wieder an die Eltern zurück, welche nicht wenig erfreut waren, den verlorenen Sohn wieder in ihre Arme schließen zu können. Der Knabe erhielt den Spitznamen ›der Kuchenbäcker‹, dessen er sich jedoch so wenig schämte, daß er, als er später ein reicher Mann geworden war und man ihn scherzweise so nannte, erwiderte ›Habt nur Geduld, ich will drei Kuchen backen, davon Kind und Kindeskind noch reden sollen!‹ So ließ er[304] denn die drei Rittersitze zu Barnekow, Damshagen und Grundshagen erbauen und diese nannte er seine drei steinernen Kuchen.


Terecilla de Vry in Oberhof; vgl. Niederh. 4, 222 f. Müllenhoff S. 51.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 304-305.
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