2.

[410] Vor vielen Jahren lebte auf der Halbinsel Wustrow ein Schneider, ein roher, wüster Geselle, der seine Profession als Schneider aufgegeben und seinen Lebensunterhalt durch Fischen erwarb. An einem Gründonnerstag Abends fuhr er zum Blüsen aus und fing[410] auch bis Mitternacht eine Menge Aale. Aber nach Mitternacht wurde das Salzhaff unruhig und stürmisch. Die Leute sahen vom Ufer statt des einen Kahnes zwei, auch in dem zweiten flammte das Blüsenzeichen und darin stand mit drohender Geberde ein Mann. Sein Boot näherte sich mehr und mehr dem des Schneiders, endlich versank Alles plötzlich in dunkle Nacht, am andern Morgen fand man das Fischerboot zerschellt am Strande, von dem Schneider hat man nie mehr etwas gehört. Seitdem sieht man in stürmischen Nächten die ewige Blüse fahren, ein kleines Boot und darin einen Mann stehend, gebückt, mit gefalteten Händen. Wenn ein Fischer sich dem Boote nahen will, so kann er es doch nicht erreichen. Einmal ist es einem Fischer gelungen, nahe heranzukommen, als plötzlich die Blüse sich gegen ihn kehrt und der Mann darin mit drohender Geberde auf den Fischer einlenkt und ihn verfolgt. Nur die Nähe des Strandes machte es ihm möglich, zu entkommen, denn dorthin kann die ewige Blüse nicht folgen. Seit der Zeit wagt Keiner mehr, sich ihr zu nahen.


C. Pechel bei Niederh. 2, 159 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 410-411.
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