611. Der Kartenspieler von Kessin.

[437] An einem Gründonnerstage setzten sich Bauern von Kessin zum Kartenspielen in der Schenke hin und spielten die ganze Nacht hindurch bis in den Charfreitag hinein, und auch als die Glocke zur Kirche rief, hörten sie nicht auf, sondern spielten den ganzen Charfreitag weiter. Gegen Mitternacht trat ein Fremder im Mantel in die Wirthsstube und wurde von einem der Bauern zum Mitspielen aufgefordert. Der Fremde ließ sich nicht lange nöthigen, sondern warf einen Beutel mit Goldstücken auf den Tisch und sagte ›Wer die gewinnt, der möge mit mir in die Hölle fahren.‹ Jener Bauer, der[437] den Fremden eingeladen, gewann nun fortwährend, so daß die übrigen Bauern nichts mehr zu verspielen hatten. Sie wollten nun auf Borg weiter spielen, allein dazu hatte der glückliche Gewinner keine Lust, er sagte vielmehr, indem er aufgeregt die Karten auf den Boden warf ›Der Teufel soll mich holen, wenn ich auf Borg mit euch spiele.‹ Der Fremde wußte ihn jedoch zu begütigen, daß er sich dazu verstand, auf Kreide weiter mit ihnen zu spielen. Schnell hoben nun die andern Bauern die Karten auf, dabei bemerkten sie aber, daß der Fremde einen Pferde- und einen Krähenfuß hatte. Von Entsetzen ergriffen, warfen sie die Karten hin und liefen hinaus. Der Bauer spottete hinter ihnen her und spielte weiter. Schlag 1 Uhr hatte er dem Fremden das letzte Geld abgewonnen. Da sagte dieser ›Jetzt bist du mein!‹ und fuhr mit ihm durch die Wand. Noch sieht man in dem Hause den untilgbaren Blutflecken an der Stelle der Wand, wo dies geschehen. Der jetzige Bewohner des Hauses pflegt ihn durch einen großen Schrank zu verbergen.


Niederh. 2, 37 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 437-438.
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