Zehnter Auftritt.

[53] Graf. Gräfin zurückkommend.


GRAF Zange und Hammer in der Hand, welche er auf einen Stuhl wirft. Alles, wie ich es verlassen. Zur Gräfin, die sich kaum aufrecht erhält. Madam, ehe ich zum Aeußersten schreite, frage ich noch einmal: Wollen Sie öffnen?

GRÄFIN. Wie kann eine plötzliche Laune so den ehelichen Frieden stören? Wenn es noch Liebe wäre, die Ihnen Ihre eifersüchtige Wuth einflößt, so könnte ich, um des Grundes willen, die Beleidigung verzeihen. Aber daß nur Eitelkeit einen Edelmann so weit treiben kann![53]

GRAF. Liebe oder Eitelkeit, gleichviel. Oeffnen Sie die Thür, wenn ich sie nicht erbrechen soll.

GRÄFIN. Halten Sie ein, ich bitte Sie. Glauben Sie, daß ich im Stande bin, meine Pflichten zu verletzen?

GRAF. Sie fragen statt zu antworten. Ich aber bestehe darauf, ich will wissen, will sehen, wer sich in jenem Kabinet befindet?

GRÄFIN. Das sollen Sie. Nur hören Sie zuvor mich ruhig an.

GRAF. So ist es also nicht Susanne?

GRÄFIN stockend. Wenn sie es auch nicht ist, so ist es Jemand gleich Unverfängliches. Ein Maskenscherz für heute Abend ...

GRAF. Ein Scherz, sagen Sie?

GRÄFIN. Und schwöre Ihnen, daß wir beide Sie nicht verletzen wollten, weder ich, noch er.

GRAF. Er?! So ist's ein Mann!

GRÄFIN lautlos. Ein – Knabe.

GRAF. Wer denn?

GRÄFIN. Ich wage nicht, ihn zu nennen.

GRAF außer sich. So fällt er von meiner Hand. Greift nach dem Werkzeug und eilt auf das Kabinet zu.

GRÄFIN sich ihm in den Weg werfend. Es ist.. Cherubin!

GRAF mit dem Fuße stampfend, halblaut. Zum dritten Male der verwünschte Page. Laut. Deshalb Ihre Rührung beim Abschied? Deshalb sein heimliches Verweilen im Schlosse, während ich seine Abreise befohlen hatte. Alles ist klar. Der Brief sprach die Wahrheit. Heftig an die Thüre klopfend. Heraus, Unseliger!

GRÄFIN vor ihm niederfallend. O mein Gemahl, schonen Sie ein unschuldiges Kind! Er wagt nicht zu erscheinen: die Unordnung in seinem Anzuge ...

GRAF. Auch das noch!

GRÄFIN. Wir wollten ihn in ein Kleid Susannens stecken. Trauen Sie meinen Worten mehr als dem Augenschein. Auf meinen Knieen bitte ich um Gnade für ihn!

GRAF. Bitte für dich, treuloses Weib! Hinweg, aus meinem Wege![54]

GRÄFIN. Bei deiner Liebe zu mir sei beschworen..

GRAF bitter auflachend. Meine Liebe, du Falsche? Noch einmal, hinweg von der Thüre!

GRÄFIN erhebt sich wankend und überreicht dem Grafen den Schlüssel. Oeffnen Sie, Herr Graf! Ueber mich Ihre Rache! Sie fällt in einen Stuhl, das Gesicht mit dem Tuche bedeckend. Er ist verloren.

GRAF reißt die Thüre auf, in der Susanne erscheint, und fährt bei ihrem Anblick weit zurück. Susanne!


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 53-55.
Lizenz:
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
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