III. Capitul.
Krachwedel kommt übel an.

[705] Es ist gewiß, daß ich mir nichts Angelegners sein lassen, als die Geschicht sowohl von dem Reitknecht als aus dem alten Hühnerfanger auszukundschaften, und weilen der letztere die meiste Wissenschaft davon haben mußte, ließ ich ihn geschwinde auf ein feines Bettlein legen, allwo er mir die ganze Geschicht von oben bis unten aus also erzählete:

»Ich kam«, sagte er, »vier Stunden nach meiner Abreise samt dem Reitknecht alldorten an und soff mir in der Dorfschenke einen starken Rausch im Brandwein, damit ich desto kecker die Abenteuer erkundigen möchte. Nach diesem ging ich mit bloßem Degen in das Schloß, und der Reitknecht folgete mir bis über die Schlagbrücke, allwo es stracks mit etlichen Ziegeltrümmern nach uns geworfen hat. Ich wollte den Reitknecht fragen, ob er den Mann stehen sähe, der von einem Fenster gegen uns herabsah, aber er war schon wieder zurücke gelaufen und hat mich also alleine in dem Stiche gelassen. Hiermit war mir nicht anders, als tauchte mich jemand ins kalte Wasser, so schrecklich fuhr mirs über[705] den Rücken. Nichtsdestoweniger ging ich beherzt fort und räusperte mich nach meinem Gebrauch trefflich über den Hof hinüber, nahm mir auch vor, stracks hinauf und in das Zimmer zu gehen, wo der Mann herausgeschauet hatte. Es war noch nicht Abend, und die Sonne schien sehr helle. Deswegen verhoffte ich, noch vor nachts wieder zurücke zu kommen, sprang also wider mein eigenes Vernehmen, mehr als ich sonst gewohnet bin, die lange Wendeltreppe bei der Gesindstuben vorbei. Aber als ich auf den Saal kam, schüttete es vor mir viel Geld aus. Was es aber gewesen oder was es bedeuten sollen, weiß ich nicht, denn ich habe es nur gehöret, aber nichts gesehen, so abscheulich es auch vor mir gerasselt hat. Weil ich schon so weit war, so wollte ich nicht gerne ablassen, sonst wäre ich wahrhaftig wieder zurücke gelaufen. ›He,‹ sagte ich, ›bist du was Gutes, so sage es, bist du was Böses, so schere dich aus diesem Hause und verunruhige christliche Herzen nicht!‹ Kaum als ich dieses ausgeredet, zog mich etwas bei dem Nacken, und als ich mich umsah, wars der vorige alte Mann, der dem Conterfey Eures seligen Vaters so gleich sah wie ein Ei dem andern. Damit sank ich in eine Ohnmacht, und das Ungetüm muß mich ohn allen Zweifel schrecklich in dem Schloß herumgeschleppet haben, denn ich kam endlich, als es schon ziemlich dunkel war, zu mir selber und konnte vor Schmerzen kaum auf die Beine kommen. Mein Kopf, wie Ihr noch sehet, war voller Löcher, mein Rock war mit Blut so besudelt, daß ich anfangs glaubte, es hätte mir einer anstatt des grauen einen roten Caput angezogen. Mit einem Wort, ich bebete auf Hand und Füßen und konnte noch dazu den Ausgang zum Schlosse nicht finden. Über diesem Umschweifen und daß mich das Gespenste so verfolgte, sank mir das Herz trefflich, darum wollte ich um Hülfe schreien, konnte aber kein lautes Wort aus dem Munde bringen, und wo ich hinging, folgte mir der Alte hintennach und wurf mit solchen Steinen nach mir, daß, wenn ich von einem wäre getroffen worden, ich ohne allen Zweifel hätte umkommen müssen. Nebenst diesem Manne habe ich nichts gesehen, ob sie mir schon in dem Dorfe viel Märlein von einer schönen Jungfrauen erzählet[706] haben, die sich in dem Schlosse solle sehen lassen. Aber je später es war, je grauslicher war der Tumult, und es kam mir unterweilen nicht anders vor, als fielen ganze Sparren und andere große Gewölber ineinander. Sehet, mein Herr, diese Pein mußte ich vier Tage aneinander ausstehen, bis mich endlich der Reitknecht mit etlichen Bauren gesuchet und mit großem Grauen, wie Ihr wohl von ihm verstehen werdet, zum Schlosse ausgetragen.«

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 705-707.
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