II. Von einem in dem Halberstädtischen bei Grüningen vorhandenen wässerigen Erd-Fall und der darauff schwimmenden Insel.

[87] Jenseit des untern Vor-Hartzes nicht weit von dem im Fürstenthum Halberstadt gelegenen Schloß und Amt Grüningen, gegen dem Walde, der Hackel genannt, befindet sich noch ein anderer Erd-Fall, so gantz voll Wasser ist, und worauff auch eine kleine Insel schwimmet, auff welcher nichts als Rohr wächset, darinnen viel wilde Enten sich auffhalten, von denen aber, wo nicht unmüglich, doch schwerlich welche zu bekommen sind: denn wenn schon einige davon geschossen werden, so kan man doch, wegen der grausamen Tieffe und Grundlosigkeit des Wassers, nicht darzu gelangen, es sei denn, daß man mit einem Nachen oder Kahn hinzu fahre, oder dieselbe durch einen abgerichteten Hund herab holen lasse. Merck-würdig ist von solchen schwimmenden und andern Inseln, daß vor Alters etliche auch gelehrte Leuthe gezweifelt haben, ob es auch in der Wahrheit schwimmende Inseln gebe, und denen Alten Glauben beizumessen sei, die davon geschrieben, massen Herodotus einer Insel gedencket, so auff dem Aegyptischen See Chemnis geschwommen, und so wohl grosse als kleine Wälder, ja gar den grossen berühmten Götzen-Tempel Apollinis mit sich auff dem Wasser herum geführet haben; so schreibet auch Mela libr. & cap. 5 daß bei dem Anfange des Nil-Flusses in Aegypten ein See gefunden werde, auff welchem eine Insel herum walle, die nicht allein dick bewäldert sei, sondern auch grosse Häuser und andere Gebäu trage, und von dem Winde bald hier- bald dahin getrieben werde. Gleichfalls meldet Plinius lib. 2 cap. 95 vom dem See Vadimonis, den man heute zu Tage auff Italiänisch lago de Bassanello, ingleichen [88] lago di Viterbo nennet, daß auff demselben eine schwimmende Insel mit einem dicken finstern Walde, so wohl Tages als Nachtes, herum fahre, und niemahls an einem Orte beständig verbleibe, dergleichen auff dem Wasser schwebende und bewegliche Inseln man auch noch mehr bei andern alten Scribenten beschrieben findet. Es sind aber dieselben ingesamt vormahls von einigen vor eine Fabel oder Gedicht deswegen gehalten worden, weilen ihnen entweder solche Inseln ihr Lebetage nicht vor Augen kommen, und sie sich also dasselbe nicht haben einbilden können, oder, daß die schwimmenden Inseln nachgehends an einem gewissen Ort mit dem Grund-festen Lande sich vereiniget, und also fest gesetzet haben. Bei solcher Beschaffenheit hat es nun nicht anders sein können, als daß sie auff eine irrige Meinung gerathen, und dabei verblieben sind; hingegen ist nunmehro durch die Erfahrung solcher Zweifel benommen, und damit dieser vor Zeiten gewesene Streit beigeleget worden, indem nunmehro zur Gnüge bekannt ist, daß es nicht allein an dem Hartz beschriebener massen Inseln gebe, die auff dem Wasser schwimmen, sondern auch anderswo so wohl grosse als kleine schwimmende Inseln gefunden werden, wie denn unter andern Kircherus in descriptione Latii fol. 204 berichtet, wie der Italiänische See la Solvatara bei Tivoli 16 schwimmende Inseln führe, welche zum Theil Circkel-rund, theils oval oder Ey-rund, und mit allerlei Strauch- und Kräuter-Werck bewachsen wären. Ebener massen meldet Herr Baron Valvasor in seiner allbereit von mir im ersten Capitel gedachten Beschreibung des Hertzogthums Crain tom. 1 libr. 4 cap. 29 fol. 588: wie daselbst zwischen S. Marain und der Stadt Weichselburg ein grosser Teich oder Weiher liege, so dem Kloster Sittig zugehöre, worauff ein ziemlich grosses Stück Erde herum wandere, auff welchem einige kleine Bäumlein stünden, und viel Gras wachse, massen jährlich mehr als ein Fuder Heu darauff eingeerndet würde. Ferner gedencket auch Zeillerus in seinen Episteln an unterschiedenen Orten solcher Inseln, und könte ich derselben noch eine ziemliche Anzahl anführen, wenn es vonnöthen wäre. Woraus nun das Fundament oder Boden solcher schwimmenden Inseln bestehe, sind die Autores nicht einerlei Meinung, denn Schottus in seiner Magia[89] Universali Naturæ & Artis part. 3 libr. 5 Erotem. 12 saget, wie Cabæus libr. 1 Meteor. text. 69 quæst. 1 in denen Gedancken stehe, daß der Boden derselben aus Schilff, Bintzen und andern Wasser-Kräutern, vermöge derer sich durch einander flechtenden Wurtzeln zusammen gewachsen wären: Es antworten aber hierauff einige, daß solches nicht genug sei, massen der Boden so viel Erde bei sich habe, daß auch zu Zeiten grosse Bäume darauff zu wachsen pflegten. Andere vermeinen, daß dergleichen Inseln aus einem fetten hartzigen und leichten Tropff- oder Bim-steinichten Erdreich bestünden, so mit Holtz, Binsen und allerlei Pflantz und Kraut-Wurtzeln vermischet, und vermittels des Erd-Hartzes zusammen geklebet sei; Theils halten gar davor, daß unter solchen Inseln grosse Höltzer oder Bäume vorhanden, welche dieselben trügen, und was dergleichen Meinungen mehr sind; wovon man aber insonderheit nicht wohl eine Epicrisin oder rechtes Urtheil geben kan, weilen der Boden gedachter Inseln nicht einerlei ist, sondern bald aus dieser bald aus einer andern Materie bestehet, doch ist in genere oder insgemein gewiß, daß solche Inseln, wie Cardanus libr. 1 Varietat. cap. 7 will, ein schwammichtes, luckeriges, und zugleich zähes Erdreich haben; denn so dasselbe sich nicht leicht befände, könte solches auch nicht auff dem Wasser schwimmen, müste auch durch die Bewegung nothwendig von einander gehen, und zerreissen, wenn es nicht zugleich zähe wäre. Gedachte Erde kömmet aber entweder aus dem Grunde derer Wasser hervor, oder wird von dem festen Lande durch die Gewalt des Wassers abgerissen, wie solches alles Herr Erasmus Francisci in seinen Anmerckungen über vorgemeldeten Ort der Beschreibung des Hertzogthums Crain fol. 588 & seq. weitläufig ausgeführet hat, allwo der curieuse Leser nach Belieben ein mehres von solchen schwimmenden Inseln lesen kan.

Quelle:
Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz=Wald [...], Nordhausen 1899 [Nach der Ausgabe Nordhausen 1703], S. 87-90.
Lizenz:
Kategorien: