Erster Auftritt

[1] FAUST. Ja, Wagner, itzt bin ich ganz glücklich! Alles vereinigt sich, mich froh zu machen. Ich bin gesund, habe ein liebenswürdiges Weib, wohlgerathne Kinder, und ein reichliches Auskommen. Seit Jahren hatte ich keinen Kummer, als meinen Rechtshandel mit dem gehaßten Rochus. Nun ist auch dieser geendigt, mein Einkommen zehnfach erhöht, meine Rache befriedigt. Nichts bleibt mir zu wünschen übrig.

WAGNER. Ich freue mich mit Dir darüber; aber ich höre es nicht gern, wenn jemand mit seinem Glücke so zuversichtlich prahlt.[1]

FAUST. Warum nicht? Sei nur in meiner Lage, guter Wagner, und Du wirst triumphiren, wie ich. Du weißt, von Jugend auf bin ich glücklich gewesen, und itzt steigt mein Glück höher, wie je. Soll ich es nicht genießen, nicht mein Herz darüber ausschütten, nicht meinen Mund überfließen lassen? Sage, was fehlt mir noch?

WAGNER. Noch etwas Großes: die Gewißheit, ob dies alles bis ans Ende so dauern wird.

FAUST. Recht so, Wagner! Philosophire Du, ich will genießen! Sei Du ein Solon, erinnere mich an Erösus, an Polykrates; ich will mich unterdessen über meinen gewonnenen Prozeß freuen. Geht auf und nieder.

WAGNER. Ich erinnere Dich blos an Deinen Lieblingsdichter, an den lebensklugen Horaz. Hast Du seine schöne Ode: aequam memento servare mentem1 vergessen?

FAUST. Gut, daß Du mich an ihn erinnerst. Nach seiner Philosophie wollen wir künftig leben. Weißt Du, was ich gesonnen bin? Den Winter wollen wir hier in der Stadt zubringen, und alle ihre Freuden genießen, im Sommer aber gehen wir aufs Land, und lesen das Gedicht des Horaz: hoc[2] erat in votis2. Dazu habe ich meine Anstalten gemacht. Was kann ich anders thun?

WAGNER. Beten, daß alles so geschehen möge, wie es Deiner Einbildungskraft vorschwebt.

FAUST. Beten? Wirklich beten? Oder nimmst Du es nur als die gewöhnliche Redensart, wobei man sich nichts denkt?

WAGNER. Nein, Faust, wirklich beten.

FAUST. O des weisen, und doch so unweisen Wagner! Der dort oben wird um meines Gebets willen seinen Plan ändern! wird sich durch mich irre machen lassen in dem, was von Ewigkeit bestimmt ist! Nicht wahr?

WAGNER. Der alte Einwurf!

FAUST. Aber zugleich der treffende, entscheidende!

WAGNER. Bist Du dessen so ganz gewiß? Dein Gebet könnte ja auch von Ewigkeit vorher gesehen, und die Erhörung dafür bestimmt seyn. Es könnte Dir wenigstens Kraft geben, mit Ruhe und Weisheit alles anzufangen, was Du unternimmst.

FAUST lächelnd. Laß das, frommer Wagner! Ich bin nie zum Beten aufgelegt gewesen, und am wenigsten heute. Ich will handeln und genießen. [3] Sieht nach der Uhr. Weißt Du, wohin ich jetzt gehe? Die letzten zwanzig tausend Thaler in Empfang zu nehmen, die mir mein Prozeß ein, bringt, und das in klingendem Golde. O Wagner, diese einzigen zwanzig tausend Thaler machten auch Dich zu einem ganz andern Menschen. Sei nicht so trübsinnig! Ich will Dir meine Frau herschicken, Dich zu erheitern. Ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 1-4.
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