Achter Auftritt

[18] Zimmer in Rochus Hause. Rochus. Moritz.


MORITZ. Ich bin ganz ängstlich, mein Vater![18] Ihre Unruhe erschüttert mich. Reden Sie, ich will alles thun was Sie verlangen.

ROCHUS. Merke wohl auf, mein Sohn! Was ich itzt spreche, thue, fordre, kömmt aus dem Innersten meiner Seele, kömmt aus einer von Schmerz, von Wuth, von Rachsucht zerrissenen Seele; aber ich will mich fassen. Auf und niedergehend. Höre, Moritz, habe ich auf Deine Erziehung etwas verwandt?

MORITZ. Ja, mein Vater, viel.

ROCHUS. Habe ich Deine Anlagen, Deine Gewandtheit, Deinen Verstand auszubilden gesucht?

MORITZ. Gewiß! Und ich glaube, daß Ihr Bestreben nicht verloren gewesen ist.

ROCHUS. Nein Moritz, Du bist ein gewandter, einnehmender, liebenswürdiger Jüngling geworden. Moritz geht vor den Spiegel, und besieht sich. Aber ich muß Dich noch mehr fragen, ich muß alles in Deine Seele zurückrufen, was Dein Vater an Dir that. Hab' ich Dich reichlich auf der Universität unterhalten; habe ich Deine Schulden willig bezahlt, und alles angewandt, daß Du mit Glanz leben, daß Du hunderte von Deinen Mitbrüdern verdunkeln, und weit und breit Auffehn erregen konntest?

MORITZ. Ja, mein Vater, das kann ich nicht[19] läugnen, Küßt ihm die Hand. und ich fühle gewiß den heissesten Dank dafür.

ROCHUS. Wohlan, ich mahne Dich itzt um diese Schuld, ich fordre Bezahlung, und rufe Dir mit zitternder Stimme zu: räche Deinen Vater!

MORITZ. An wem? Reden Sie! Ich will es, wenn es in meinem Vermögen steht.

ROCHUS. Du müßtest dieser schön gebildete. hinreissende Jüngling nicht seyn, wenn Du es nicht vermöchtest. Aber ich muß noch mehr hinzufügen. Du weißt, welches Schicksal mich getroffen hat. Der schreckliche Faust hat mich mit einem langen Prozeß gequält, hat alle Grade der Feindschaft, der Bitterkeit, des Hasses gegen mich geübt, und mir endlich mein ganzes Vermögen geraubt. Aber damit ist der Unmensch nicht zufrieden. Jetzt triumphirt er laut über mich, und sucht in meiner Demüthigung seinen Stolz, in meinem Schmerze seine Wollust. Noch vor wenigen Augenblicken sah ich ihn; da hat er einen so triumphirend – höhnischen Blick auf mich geworfen, daß er mir durch die Seele gegangen ist. Nun, Moritz, rufe ich Dir zu: räche Deinen Vater!

MORITZ. Ja, ich will es; ich bin zu allem bereit. Was soll ich beginnen?

ROCHUS. Liebe die Tochter meines Feindes![20]

MORITZ. Lieben? Höre ich recht?

ROCHUS. Ja, mein Sohn, lieben! Du hast schon den Anfang zu meiner Rache gemacht, und mir selber den Gedanken dazu eingeflößt. Das Mädchen, mit welchem Du auf dem letzten Ball so oft tanztest, das so oft verstohlen nach Dir hinblickte, das war die Tochter Fausts.

MORITZ. Das niedliche blauäugigte Mädchen? Das trift sich erwünscht. Die will ich schon lieben. Und wissen Sie mein Vater, daß ich einen tiefen Eindruck auf sie gemacht habe? Ich müßte ein zu großer Neuling bey den Weibern seyn, wenn ich das nicht bemerkt hätte.

ROCHUS. Darauf gründe ich die Rache, die in meinem Innern kocht. Aber höre nun, wie Du sie lieben sollst. Schleiche Dich mit allen Deinen Künsten in ihr Herz ein, entflamme ihre Leidenschaften, raube ihren jungfräulichen Kranz, und schwelge Nächte hindurch mit ihr. Wenn Du dann gesättigt bist, wenn sie das Pfand Deines Genusses unter ihrem Herzen trägt, wenn sie ihre Schande bedecken will, und Dich anfleht, ihr Gatte zu werden, dann sprich zu ihr: ehrlose Dirne, geh zu deinem Vater, und sage ihm, daß der Sohn seines Feindes Rochus dich entehret, dich zum Ziel seiner Lüste gebraucht, und dich dann verstoßen hat![21]

MORITZ bedenklich. Das erwartete ich nicht. Die Rache ist bitter!

ROCHUS. Noch nicht so bitter, als sie in meinem Herzen glühet. Sieh, mein Sohn, der einzige Trost, der in dieser schrecklichen Lage an meine Seele dringen kann, ist der Gedanke, daß ich an meinem Todfeinde gerächt werden soll. Vollbringe diese Rache, und Du sollst ewig mein Liebling bleiben.

MORITZ. Aber es wird schwer seyn, dem Mädchen anzukommen, da ihre Aeltern uns hassen; sie wird mich fliehen, sobald sie erfährt wer ich bin.

ROCHUS. Keine Schwierigkeiten, mein Sohn! Sie greifen mir ans Herz. Laß mich in Dir den talentvollen, den unwiderstehlichen Jüngling erkennen. Zeige es, daß Deine Anlagen entwickelt sind, daß Du auch das Schwere, das Verwickelte, das halb Unmögliche vollenden kannst. Sieh, mein Vermögen ist hin, aber Du sollst es nicht empfinden. Ich will darben, damit Du im Glanz leben kannst; ich will jährlich die Hälfte von dem, was mein Amt einträgt, sparen, damit ich Dir ein Erbtheil bereite. Nur erfülle meine Bitte, und räche mich! Es ist Pflicht, seinen Vater zu rächen.

MORITZ. Nun wohlan, ich will es! Ich will meine Kraft dazu aufbieten. Und vielleicht bedarf[22] es derselben kaum. Ein Mädchen ist leicht zu besiegen.

ROCHUS. So wünsche ich Dich, Moritz! Umarmt ihn. Liebling meines Herzens! Nimm Du die Tochter, ich will den Sohn nehmen. Denn wisse, daß auch ich mein Geschäft habe. Der Anfang ist schon dazu gemacht. Wir wollen nun sehen, wem es am besten gelingt. Faust war stolz auf seine Kinder; ich muß ihn sehen, wie er voll Jammer die Hände über sie zusammen schlägt, wie er sich die Haare ausrauft, daß er Kinder hat. Spiel, Gewinn, Verlust, berauschendes Getränk soll seinen Sohn hinreissen; wilde Freunde, verführerische Mädchen sollen ihn in ein Labyrinth führen, und nur mit gebrandmarkter Seele, mit Schmach, mit Schande, mit scheußlichen Krankheiten befleckt, soll er daraus zu seinem Vater zurückkehren.

MORITZ. Sie sind ein furchtbarer Mann; groß in der Rache, wie in allen andern Dingen.

ROCHUS. Du, und Paulina, ihr seid mein einziger Trost, und ich habe euch jetzt zusammen hieher kommen lassen, um diesen Trost zu genießen. Geh, hole Deine Schwester, und besuche mit ihr den öffentlichen Spaziergang; sie wird aller Augen auf sich ziehen. Mein Herz ist zerrissen. Ich muß mit meinen Kindern prahlen, ich muß zeigen, daß[23] mir noch etwas übrig geblieben ist, daß der liebenswürdigste Jüngling und das schönste Mädchen in dieser Stadt mir angehören.

MORITZ. Wenn dies auch nicht wäre, so will ich doch die Rollen, die ich zu spielen habe, so spielen, daß Sie zufrieden mit mir seyn sollen. Ab.

ROCHUS. Rache soll unedel seyn. Aber wie vermag ich anders Ruhe zu finden, wie diese Hölle, die in mir brennt, auszulöschen? Soll ich mich nicht rächen, und vor Ingrimm sterben? Nein, ich darf kein Selbstmörder seyn, ich muß mein Leben erhalten; das ist Pflicht! Ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 18-24.
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