Dritter Auftritt

[59] Mariane. Wagner.


MARIANE im Hereintreten. Ich habe doch jemanden kommen hören. – Sieh da, Wagner! Begrüßen sich. das war eine gedankenvolle Stellung!

WAGNER. Ich bin es wirklich.

MARIANE. Nun, und warum?[59]

WAGNER. Eine große Kleinigkeit hat mich so tiefsinnig gemacht: ein Traum.

MARIANE. Erzählen Sie ihn; ich verstehe mich etwas auf das Deuten der Träume.

WAGNER. Er ist nicht von der gewöhnlichen Art. Hören Sie, aber deuten Sie nicht! Ich war nicht auf der Erde, sondern in einem Winkel des unermeßlichen Raums, wohin kaum noch ein Strahl von einem Stern reichte, und hatte nur einen Freund bei mir. Wir irrten in den unendlichen Leeren bangsam herum, und waren beide nur mit einigen Fäden an die Schöpfung gebunden; ich zitterte, daß sie reißen und wir in den Abgrund versinken mögten.

MARIANE. Das ist ein seltsamer, hochfliegender Traum!

WAGNER. Ja, er war seltsam und bedeutungsvoll. Plötzlich befand ich mich mit meinem Freunde an den Pforten der Hölle, die wie ein grenzenloses Ungeheuer einen weiten Rachen mit vorschießender Gluth gegen uns aufsperrte. Meine Angst stieg höher, und mit Entsetzen sah ich, daß mein Freund an den Fäden, die von ihm zur Schöpfung hinüberliefen, heftig riß. Scheußliche Fantomen, die ihn umschwebten, vermogten ihn dazu, und ein Faden nach dem andern ward zersprengt.[60] Ich stand wie angewurzelt, und vermogte nicht ihm zu helfen. Endlich zerriß der einzige letzte Faden, und mit namenlosem Grauen sah ich meinen Freund in den feurigen Schlund hinunterstürzen. In demselben Augenblicke fühlte ich mich, wie durch einen unendlichen Schwung, in die Schöpfung zurückgeführt, und erwachte in kaltem Angstschweiß.

MARIANE. Das ist wirklich ein schrecklicher Traum. Kannten Sie den Freund nicht?

WAGNER. Nein!

MARIANE. Ich wollte, Sie hätten mir nichts erzählt; der Traum vermehrt meine Bangigkeit. Erfahren Sie, Wagner, daß kein bloßer Traum, daß die Wirklichkeit mich sehr unglücklich macht. Mein Gemahl, mein sonst so wohlwollender, freundlicher Faust, ist ein ganz andrer Mann geworden; kalt, auffahrend, tiefsinnig, und mürrisch vorzüglich gegen mich: so seh ich ihn täglich.

WAGNER. Eilen Sie, aufs Land zu kommen; Sie hält ja nichts mehr zurück.

MARIANE. Uns hält nichts mehr; mein Mann hat eine ehrenvolle Entlassung aus seinem Amte erhalten, und wir könnten sogleich abreisen.[61] Aber er zögert, Gott weiß warum? Und meine Kinder – o Wagner, ich bin sehr unglücklich! Legt ihren Kopf auf seine Schulter.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 59-62.
Lizenz:
Kategorien: