Zweiter Auftritt

[161] Zimmer in Marianens Hause. Mariane und Theodora treten herein.


MARIANE. Ich habe Dir etwas Angenehmes zu sagen, meine Tochter, und führe Dich deshalb allein hieher.

THEODORA. Etwas Angenehmes? O das ist mir jetzt zwiefach willkommen, nachdem ich so viel Trauriges und Unangenehmes erduldete.

MARIANE. Dein Moritz ist von seinem Wahnsinne hergestellt worden.

THEODORA. Wäre es möglich?

MARIANE. Ja, und scheint ein ganz anderer[161] Mensch geworden zu seyn. Die That, die er, verführt von seinem Vater, beging, reut ihn bitter.

THEODORA. O das wolle der Himmel!

MARIANE. Liebst Du ihn noch?

THEODORA. Mein Gefühl in diesem Augenblicke sagt es mir.

MARIANE. Würde es Dir angenehm seyn, wenn er auch Dich noch liebte?

THEODORA. O Mutter, erwecken Sie getäuschte Hoffnungen nicht wieder in meiner Seele. Reißen Sie die Wunde, die eben benarbte, nicht wieder auf!

MARIANE. Diese Grausamkeit würde ich nicht besitzen, wenn ich jene Wunde nicht zu heilen vermöchte.

THEODORA. Zu heilen? Ist dies noch möglich?

MARIANE. Ja, meine Tochter! Moritz ist ein andrer und besserer Mensch geworden, und will sein Verbrechen wieder gut machen. Er liebt Dich mehr, als jemals, und wirbt um Deine Hand.

THEODORA. Das ist etwas zu Unerwartetes, zu Ueberraschendes, als daß ich es glauben könnte.

MARIANE. Willst Du es aus seinem eignen[162] Munde hören? Öffnet die Thüre des Zimmers. Kommen Sie herein, Moritz!


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 161-163.
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