Dritter Auftritt

[163] Moritz blaß und schüchtern. Die Vorigen.


MORITZ. Darf ich es wagen, noch einmal vor das Antlitz meiner Theodora zu treten, die ich so unendlich beleidigte?

THEODORA. Er ist es; o mein Gott! Hält sich an einen Stuhl. Moritz muß mich fürchterlich behandelt haben, daß mich bei seinem Anblicke ein solches Zittern überfällt.

MORITZ. Ja wohl habe ich das! aber die schmerzlichste Reue nagt mich, und ich komme, wieder auszugleichen, was ich verschuldete.

THEODORA. Am Körper ist Moritz sehr verändert: sollte er es auch an der Seele seyn?

MORITZ. Wer so unbeschreiblich viel litt als ich, der ist es auch an der Seele. Aber darf ich hoffen, daß meine Theodora nicht verändert gegen mich ist?

THEODORA. Das vermag ich in diesem Augenblicke nicht zu beantworten.

MORITZ. O Theodora, laß mich nicht länger[163] auf dieser Folter der Ungewißheit! Jetzt erst weiß ich zu erkennen, was ich in Dir besitze, die Du schon ehmals mein Weib warst. Sei es wieder! Ich will eine Lebenszeit anwenden, mein Vergehen gut zu machen.

THEODORA. Glatten Worten traute ich einst; ich habe schrecklich dafür gebüßt. Soll ich ihnen noch einmal trauen?

MORITZ. O Theodora, glatte Worte in einem geheimnißvollen Winkel gesprochen, und vor den Ohren einer Mutter, sind unendlich verschieden. Den letztern darf man trauen.

THEODORA. Haben Sie den Reuigen geprüft, meine Mutter?

MARIANE. Ich habe ihn geprüft.

THEODORA. Was soll ich beginnen?

MARIANE. Dem Antriebe Deines Herzens folgen.

THEODORA zu Moritz. Ich gebe mich Dir zum zweitenmal; aber Fluch, ewiger Fluch über Dich, wenn Du noch einmal mich täuschen könntest!

MORITZ fällt ihr um den Hals. Nein Theodora, da sei Gott vor! Moritz ist nicht mehr Moritz; sein schrecklicher Zustand hat ihn in einen andern Menschen verwandelt; aber wie glücklich bin ich jetzt wieder, wie glücklich! –[164]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 163-165.
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