Dreizehnter Auftritt.

[32] Die Vorigen. Agnes.


AGNES indem sie den Kaffee in das Seitenzimmer rechts trägt. Guten Morgen, gnädige Frau. Zu Quisenow. Guten Morgen. Sie geht ab.

QUISENOW für sich, ihr nachsehend. Sehr niedlich. Sie ist nächst meiner Frau das schönste Weib der Erde.

AGNES kommt zurück.

AUGUSTE. Nun, ist das Fräulein endlich einmal ans den Federn? Ich habe schon geglaubt, wir werden heute gar nicht die Ehre haben, die vornehme Dame zu Gesicht zu bekommen.

QUISENOW. Meine Frau ist der reine Vitriol.

AGNES ängstlich. Entschuldigen Sie gnädige Frau, ich habe aufgeräumt, ausgekehrt, Milch geholt, bin auf dem Markt gewesen und –

AUGUSTE. Und hast dich bei den Hökerfrauen über deine Herrschaft aufgehalten.

AGNES sehr bestimmt. Das habe ich nicht getan und werde ich auch nicht tun. Ich war nur auf einen Sprung bei meiner Mutter, bei meiner armen Mutter deren Sterbe stunde vielleicht bald schlagen wird.

AUGUSTE. Ah, es stirbt sich nicht so schnell, noch dazu heutzutage, wo 'n Begräbnis gleich 'n Masse Geld kostet.

QUISENOW. Darauf würde es nur leicht ankommen.

AUGUSTE. Und diese Familienangelegenheiten gehen mich überhaupt gar nichts an. Warum hast du denn gestern das blaue Zimmer aufgeräumt?

AGNES. Sie entschuldigen, Sie sagten –

AUGUSTE. Keine Entschuldigung! Ich frage, warum du es getan hast?

AGNES. Aber gnädige Frau –

AUGUSTE. Schweig still mit deiner gnädigen Frau.

AGNES. Aber gnädige Frau –

AUGUSTE. Du sollst schweigen, sag ich Kleine Pause. Das wußt' ich wohl, daß dir jeder Grund zu einer Entschuldigung fehlen würde.[33]

QUISENOW. 'ne famose Logik. Meine Frau müßte Staatsrecht lesen.

AUGUSTE. Es geschehen Dinge in meinem Hause, daß einem die Haare zu Berg stehen. Das Mittagessen ist regelmäßig verdorben. Die Möbel sind immer staubig, 's wird allerhand verschleppt – es kommt so viel weg –

QUISENOW. Bloß meine Frau nicht.

AUGUSTE. Und – Mit Beziehung auf ihren Mann. Mamsell Agnes ist mitunter sehr zudringlich.

AGNES welche während der letzten Worte schluchzen wollte, ihre Tränen erstickend. Gnädige Frau, ich bitte Sie, hören Sie aus. Sie sehen nur ein armes Mädchen vor sich – das Kind armer Eltern – gezwungen zu dienen und sich – für den Lohn, den Sie zahlen, alles fallen zu lassen; aber das einzige Gut, die einzige Habe, die ich besitze, meine Ehre, dürfen Sie nicht angreifen. Darum erkläre ich Ihnen, daß – Sie kämpft mit sich und sucht ihre Aufregung zu unterdrücken. daß – ich –

AUGUSTE die Kündigung herbeiwünschend. Nun, daß du –

AGNES beiseite. Ich kann nicht aufsagen – meine Eltern haben mich beschworen – ich bin ihre einzige Stütze; Laut. darum sage ich Ihnen, daß Sie mich tief, Sie zeigt aufs Herz. recht tief gekrankt haben – verzeihen Sie es mir nur diesmal noch, gnädige Frau! Sie geht heftig weinend ab.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 32-34.
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