Zweiter Auftritt.

[46] Schlicht. Bernhard.


SCHLICHT. Der gute Mensch will, daß ich mit der Sonne des Rechts meinen Bratofen heize, damit auch er sich die Hände daran wärmen kann.

BERNHARD. Guten Morgen, Vater! Du hast mich rufen lassen.

SCHLICHT in gereiztem Tone. Seit acht Tagen hast du dich nicht sehen lassen. Natürlich, die Nächte durchschwämmst du, da mußt du freilich am Tage dafür schlafen, statt zu arbeiten. Für deinen Vater hast du keine Zeit, ich bin nur gut dazu, Auf die Wechsel zeigend. deine Wechsel zu bezahlen.

BERNHARD. Ich denke ernstlich daran, dir keinen Grund mehr zum Klagen zu geben.

SCHLICHT. Wie oft hast du das schon gesagt, wie oft mir Besserung versprochen, um bei der nächsten Gelegenheit das Wort zu brechen. Du besuchst schlechte Gesellschaft, treibst dich in Spielhäusern herum und wirst dich noch ganz zugrunde richten.

BERNHARD. Habe nur diesmal noch Vertrauen zu mir. Ich will von nun an alles tun, dir meine aufrichtige Reue zu beweisen.

SCHLICHT. Wenn du die Wahrheit sagtest mein Sohn! Du weißt, ich bin zu jedem Opfer bereit, je doch meine Praxis ist, vielleicht weil ich meinen Vorteil nicht verstehe, oder verstehen will, keine glänzende zu nennen, wobei ich nicht imstande bin, deine Schulden zu bezahlen. Soll ich die Schande erleben, dich im Gefängnisse zu sehen?

BERNHARD zuckt zusammen. Vater, ich will von nun an mich von allen Zerstreuungen zurückziehen und ausschließlich meinen Studien leben. Ich hoffe, nächstens mein Examen zu machen und zu bestehen.[46]

SCHLICHT. Nicht die Kenntnisse, sondern der Charakter macht erst den Mann. Wissen ohne Ehrenhaftigkeit der Gesinnung ist wie ein Gebäude ohne festen Grund. Darum sei aufrichtig und offen gegen mich. Behandle mich wie deinen besten Freund, schließe dein Herz mir auf und schenke mir dein volles Vertrauen. Auf die Wechsel deutend. Sind mit diesen Wechseln alle deine Verpflichtungen erfüllt?

BERNHARD mit sich kämpfend, für sich. Ich kann mich ihm nicht entdecken, er müßte mir fluchen. Laut. Alle, bester Vater!

SCHLICHT. Ich will dir glauben, obgleich du noch etwas auf dem Herzen zu haben scheinst. Was fehlt dir?

BERNHARD. Nichts – wirklich nichts –

SCHLICHT. Um so besser. Jetzt geh' an deine Arbeit. Es soll mich freuen, wenn du dein Examen bestehst. Er reicht ihm die Hände.

BERNHARD für sich. Ich bin nicht würdig, seine Hände zu berühren. Diese Güte vernichtet mich! Er geht zur Seite ab.

AUGUSTE in feinster Toilette, kommt mit einer offnen Vorladung in der Hand.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 46-47.
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