Erster Auftritt.

[69] Quisenow. Auguste. Berta.


QUISENOW UND AUGUSTE gehen mit verschränkten Armen eine Weile auf und ab und messen sich mit strengem Blick.

AUGUSTE. Es kann nicht sein! Es ist nicht möglich![69]

BERTA. Wie ich Ihnen sage, gnädige Frau. Er soll seinem Vater das Geständnis abgelegt haben. Die ganze Stadt ist voll davon.

QUISENOW noch immer auf- und abgehend und sich Luft mit dem Schnupftuche zufächelnd. Eine Flasche Sodawasser –

BERTA. Sogleich, gnädiger Herr! Sie geht ab.

AUGUSTE. Jetzt wird mir alles klar – also darum hat sich der verwünschte Schmuck schon zwei Tage nach der Arretierung vorgefunden.

QUISENOW. Und das ist das Nichtswürdige, daß du nicht gleich die Anzeige gemacht.

AUGUSTE. So? Ich hätte wohl hinlaufen und mich blamieren sollen und sagen. Die Sachen haben sich wieder vorgefunden. 's war ein bloßes Mißverständnis. Das Gericht hätte es mir doch nicht geglaubt, und zuletzt hätte man mich vielleicht noch gar zur Verantwortung gezogen.

QUISENOW. Das wird man noch!

AUGUSTE. So? I, sieh doch. Zuletzt werde ich vielleicht noch schuld an der ganzen Geschichte sein. Wer hat denn Bernhard durch seine Hartherzigkeit zu dem verzweifelten Streich getrieben? Wer hätte durch lumpige zweihundert Taler dem ganzen Unglück vorbeugen können? Du, du, du!

QUISENOW. Nanu wirds gut! Nu wird's wirklich niedlich.

AUGUSTE. Wer hat den Schlüssel zum Geldschrank – du oder ich? Hat der Mann über das Vermögen zu verfügen oder die Frau? Wer ist denn Herr hier im Haufe?

QUISENOW. Bis jetzt warst du es, aber ich schwöre es dir – Er schlägt auf den Tisch. Jetzt will ich Herr im Hause sein!

AUGUSTE. Mir scheint, ich muß dir Umschläge auf den Kopf machen.

QUISENOW. Ja – das versichere ich dich – es erfolgt ein Umschlag!

BERTA bringt ein Tablett mit zwei Flaschen Sodawasser, die oben einen metallenen Ventilhahn zum Spritzen haben – Siphons. Dann geht sie gleich wieder ab.

QUISENOW. Was zu viel ist, ist zu viel. – Das Lamm wird endlich zur Hyäne, und der Wolf durchbricht endlich seinen Käfig! – Das arme Mädchen umsonst gesessen, Fast weinend. gratis! Aber – Er nimmt die Flasche, drückt an das Ventil und[70] spritzt sich Sodawasser ins Glas. Aber die Rache ist eine Speise, die man kalt verzehren muß! Er behält die Flasche in der Hand.

AUGUSTE. Sag' mal, Fritz, hast du den Verstand verloren?

QUISENOW. Nein, aber die Geduld! Ich habe alles mit angesehen, jahraus, jahrein, mit der Ruhe eines Stadtverordneten. Du hast mich behandelt nicht wie der Mensch den Menschen, nein, wie der Wirt den Mieter behandelt! Ich habe den Mund halten müssen, wie ein Aktionär, der nicht im Verwaltungsrat sitzt, ich war stumm, wie Frankreich, denn du warst mein Cayenne, aber was zu viel ist, ist zu viel. Er spritzt sich wieder Wasser ein.

AUGUSTE. Ich bitte dich, Friedrich, hör auf, du kennst mich –

QUISENOW. Ja, ich kenne dich, und die ganze Welt soll dich kennen lernen. – Du bist meine Frau, ja – ein braver Mann soll seiner Frau nichts Schlechtes nachsagen – aber du mußt bestraft werden, denn was zu viel ist, ist zu viel – Er spritzt wieder.

AUGUSTE. Nun ist's genug – Sie ergreift ein Glas. es passiert etwas!

QUISENOW. Nur zu! – Auf körperliche Verletzung stehen verschiedene Monate Spandau – Er reibt sich die Hände. Nur zu!

AUGUSTE. Du willst deine Frau bloßstellen – ein Dienstmädchen steht dir näher –

QUISENOW. Ja, alles sieht mir näher – alles stell' ich bloß – Er spritzt sich Wasser ein. Ich bin kein Mensch mehr – ich bin Tyrann, Wütrich, einen Scharfrichter hast du aus mir gemacht. Die Leute zusammensetzen, jedem Menschen etwas anhängen, überall was zu verleumden haben, alles schlecht finden und selbst dabei nicht gut sein – Wie? Er nimmt die Flasche, spritzt in der Wut auf die Erde und behält die Flasche in der Hand. Der Topf läuft über und die Suppe ist fertig, die du dir eingebrockt hast! Kreuzdonnerwetter noch einmal! Mit ganzer Kraft. Ich leide es nicht, daß in meinem Hause eine anständige Person um ihre Ehre gebracht werden soll. Er ergreift ihre Hand. Du wirst es ihr abbitten, öffentlich feierlich, vor Zeugen –

AUGUSTE reißt sich los. Hilfe! Er ist imstande – und vergreift[71] sich an mir – Sie fällt in einen Stuhl. Hilfe! Sie wird ohnmächtig. Ich sterbe!

QUISENOW extemporiert. Das hast du mir schon oft versprochen, aber noch nie hast du's getan. Er bespritzt sie mit der Flasche.

AUGUSTE vom Wasserstrahl getroffen, springt auf. Ah!

SCHLICHT erscheint in der Tür.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 69-72.
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