Abend

[108] Die grauen Geierfittiche der Nacht

Rauschen über den See.

In seinen erzenen Fängen hält der Riesenvogel

Die Leiche des Tages.

Ein Blutspur hinter ihm her

Wellt nach Westen.

Die schwarzen Augen des Waldes

Heben die Nadelwimpern

Und starren stumm

Dem Fluge des Räubers nach,

Dem eine Schaar verdrossener Schatten folgt.

Vom Himmel herunter

In frostigen Winden

Haucht ein Gedanke:[108]

Auf schwarzen Schwingen

Schwebt alles Leben

Schweigend

In das Thal des Todes.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 108-109.
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Irrgarten der Liebe
Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)