Porträtstudie

[173] Listig liebe blaue Kinderaugen,

Milde, müde, müd ein wenig:

Ganz tief drin lustiger Trotz.

Feine, bogenspitze, schmale Lippen;

Dunkel kirschenrot brennt drin

Küsseglut.

Aber es lächelt auch

In den Winkeln des zierlichen Schnörkelschwungs

Neckende Redekunst.

Drunter weich,

Weich und keck,

Springt heraus der lebendige Sammt

Des Grübchenkinns.[173]

Nach oben ein wenig,

Ein ganz klein wenig nach oben schnubbert

Lauschend ein höchst fideles Näschen.

Ueber dem lustigen Augenpaar

Schwingen sich voll, zwei goldene Bogen,

Feine Brauen; sie weisen kokett

Mit ihren letzten, flaumigen Spitzchen

Hin auf die rosig-roten Muscheln

Zweier wunderkleiner Oehrchen.

Aufwärts in elegantem Schwunge

Von dem weichen, weißen Nacken

(Nur ein braunes Fleckchen drauf)

Schwingt sich wellenweich das Blondhaar,

Strudelt sich oben fidel und lacht,

Lustig ein wenig vornüber geneigt,

Ueber die kleine, klare Stirn,

Der es zum Schutze

Flirrender, goldener Fäden ein Rieselnetz

Fröhlich überbreitet.

Unter dem Ganzen

Gehen sittig auf und nieder

Warme, weiche, kleine Brüste ....


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 173-174.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)