Innocentia

[252] (Nach Franz Stucks Gemälde; dem Meister gewidmet.)


Der klare Blick gradaus, weit in Welt,

Und eine Welt in diesem klaren Blicke:[252]

Da ruht die Liebe und der Schmerz im Traum,

Und Schönheit schlägt die Wogen drüber her

Wie Frühlingswind. Der schlanke Lilienstengel

In weißer Hand ragt unbewegt und heilig.


Die Augen schloß ich, und dasselbe Bild

Sah meine Seele, ganz denselben Blick,

So voller Reinheit, Schöne und voll Liebe,

Doch statt des Lilienstengels ruht im Arm

Ein schlafendes Bambino. Mutterunschuld!


Die Welt schien mir an diesem Tage schön.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 252-253.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)