7.

[345] In Monte Cassino sagte mir einmal

Ein feiner Benediktiner: Ihr Deutschen

Hättet nie aufhören sollen, katholisch

Zu sein.


Ich machte die schönste meiner Verbeugungen und fragte:

Warum?


Mein Herr! entgegnete er, ihr Deutschen seid

Romantiker, Schwärmer im Grunde des Herzens.

Ich sah euern Kaiser. Ich sprach ihn. Dio mio!

Niemals noch hörte ich so ritterlich reden

Vom heiligen Benedikt und seiner Inbrunst

In diesen Gewölben: vom Kreuz; vom Licht

Des Glaubens und der Liebe; von der Wonne,

Ein Christ zu sein.


Das nennen Sie Romantik? fragte ich. Er lächelte

Und sprach:
[345]

Bei euch. Ihr sprecht von diesen großen Dingen,

Die uns zwar heilig, doch gewissermaßen

Gewöhnlich sind, so, wie die Dichter von Geliebten sprechen,

Die sie verloren haben:

Mit banger Zärtlichkeit, erinnerungsbeglückt,

Scheu hoffend, kummervoll und träumerisch.

Wie Männer von der ersten Liebe reden,

Die sie verstoßen haben, redet ihr,

Dem Anschein nach nicht glücklich in der Ehe,

Die euch »Vernunft« gebot, von den Geheimnissen

Des wahren Glaubens.


Was schließen Sie daraus? war meine Frage nun.

Er sprach:


Was ich schon sagte: Euer deutsches Herz

Ist grundkatholisch. Jener Wittenberger,

Oh, daß er Papst geworden wäre! Glauben Sie

Es einem, der den Doktor Martin kennt:

Ein großer Papst ging, ach, mit ihm verloren.


Ich war der Gast des heiligen Benedikt und schwieg.

Doch revidiert ich in der Nacht mein deutsches Herz und fand

Es zwar romantisch und voll Schwärmerei,

Doch weder protestantisch noch katholisch.

Christus war drin, doch Aphrodite auch.

Ich fand den heiligen Franz, fand Luther, fand

Sogar ein Stückchen Herrenhut: doch das

Lag alles tief im Schatten. Hell stand, hoch,

Gehämmertes Gold, der stolze Eremit

Von Sils-Maria.

Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Gesammelte Werke. Band 1: Gedichte, München 1921, S. 345-346.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Ausgewählte Gedichte