Gott und Alles

[95] An meinem Gott ich hange,

Ihn halt' ich, der mich hält.

Nach nichts mich sonst verlange!

Ist Alles schnöde Welt.

Wer will, an ihr sich labe,

Such' Lust und finde Leid.

Herr, wenn ich dich nur habe,

Ach, das ist meine Freud'!


Gott lieben ist mein Leben;

An ihm ich bleibe grün

Und saftig, gleich der Reben,

Bin dürr und todt ohn' ihn.

Von ihm kommt alle Gabe,

So zieret mein Gemüth.

Herr, wenn ich dich nur habe,

Mein Herz von Tugend blüht.
[96]

Es brennet, Gott zu loben,

Mein Herz in Andachtsglut.

Ich suche das, was oben,

Das macht mich wohlgemuth.

Dies sei es, was mich labe,

Wenn ich dich jede Stund',

Herr, wenn ich dich nur habe

Im Herzen und im Mund!


Ob mich die Dornen stechen,

Mein Glaub' vor Anker liegt;

Ich werd' noch Rosen brechen,

Die Hoffnung grünt und siegt.

Mein Elend ich begrabe

In seinen Vaterschoß.

Herr, wenn ich dich nur habe,

So leb' ich sorgenlos.


Sollt' auch der Leib veschmachten,

So will ich himmelwärts

Aus diesem Kerker trachten.

Es wird ein kurzer Schmerz[97]

Mich fördern hin zum Grabe

Und enden alle Noth.

Herr, wenn ich dich nur habe,

Was frag' ich nach dem Tod?


So leb' ich, Gott ergeben,

Und sterb' auf seine Gnad'.

Den Himmel und das Leben

Hat ewig, der Gott hat.

Den Leib send' ich zu Grabe,

Die Seel' in seine Hut.

Herr, wenn ich dich nur habe,

So hab' ich alles Gut.


Quelle:
Auserlesene Gedichte von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj, Sigmund von Birken, Andreas Scultetus, Justus Georg Schottel, Adam Olearius und Johann Scheffler, Leipzig 1826, S. 95-98.
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