Am Karfreitag


Passions-Betrachtung

[84] JESU, deine Passion

Will ich itzt bedenken:

Wollest mir vom Himmelsthron

Geist und Andacht schenken.

In dem Bild itzund erschein,

Jesu, meinem Herzen,

Wie du, unser Heil zuseyn,

Littest alle Schmerzen.

Meine Seele sehen mach

Deine Angst und Bande,

Deine Speichel, Schläg uff Schmach,

Deine Creutzes-Schande,

Deine Geisel, Dornen Kron,

Speer- und Nägel-Wunden,

Deinen Tod, O Gottes Sohn,

Und den Leib voll Schrunden.

Doch so laß mich nicht allein

Deine Marter sehen:

Laß mich auch die Ursach fein

Und die Frucht verstehen.

Ach die Ursach war auch ich,

Ich und meine Sünde:

Diese hat gemartert dich,

Nicht das Heidgesinde.

Jesu, lehr bedenken mich

Diß mit Buß und Reue;

Hilf, daß ich mit Sünde dich

Martre nicht aufs neue.

Solt ich darzu haben Lust

Und nit wollen meiden,

Was Gott selber büssen must

Mit so grossem Leiden?

Wann mir meine Sünde will

Machen heiß die Hölle,

Jesu, mein Gewissen still,

Dich ins Mittel stelle.

Dich und deine Passion

Laß mich gläubig fassen:

Liebet mich sein lieber Sohn,

Wie kan Gott mich hassen?

Gib auch, Jesu, daß ich gern

Dir das Creutz nachtrage,

Daß ich Demut von dir lern

Und Gedult in Plage,

Daß ich dir geb Lieb üm Lieb.

Indeß laß diß lallen,

(Bässern Dank ich dorten gib)

Jesu, dir gefallen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 84.
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