8. Der Breit- oder Langhut.

[8] Mündlich von Hohenstatt.


Der »Breithut« oder »Langhut« ist im Gaißenthäle, Wiesensteig, Hohenstatt, Goßbach und Umgegend gar wol bekannt. Er soll ein berüchtigter böser Raubritter auf dem Reissenstein gewesen sein, der die Leute bis auf's Blut plagte. Tag und Nacht war Leben, Hab und Gut vor ihm nicht sicher. Nach anderen Sagen sei er ein alter bösartiger Burgherr von Wiesensteig selber gewesen, der, als man ihn begrub, oben zum Fenster herab gesehen haben soll. Wieder Andere meinen, es sei ein Helfensteiner gewesen. Wegen seiner Uebelthaten muß er umgehen. Bald kommt er zu Roß und Wagen, bald zu Fuß. Kommt er zu Wagen und Roß, so hat er zwei, auch vier kohlrabenschwarze Pferde ohne Köpfe, und fährt wie der Blitz von der Steig herunter von Hohenstatt her, wo er hinter den Gärten wegschnurrt, wie's Wetter. Oft kommt er bis von Blaubeuren her. Breithut fährt dann wie wüthend unter lautem Peitschenknallen vor das Thor, zieht die Thorglocke, und wenn man öffnet, rasselt und peitscht er schon von einem andern Thor herein durch das Städtchen Wiesensteig. Der alte Thorwärter versicherte, er hätte öfters zu ihm über die Mauer hereingeschaut. Mal fuhr er dem Müller in Wiesensteig in die Räder und stellte sie bis zum Morgen. Auch ohne Roß und Wagen kam Breithut. Gewöhnlich bringt er spät Heimkehrende in Angst. Einem, der ihm rief, saß er auf's »Räfft«, der ihn zur großen Plage ein Stück tragen mußte. In's alten Reuchlis-Haus in Wiesensteig sezte er sich vor das Küchenfensterbrett und schaute zu, wie man dem Kinde Brei kochte. Im Stöckhau bei Hohenstatt[9] läßt er sich hie und da als Baumklotz, oder geradezu als Baum blicken. »Breithut« oder »Langhut« hat seinen Namen von seinem breiten Schlapphute, der ihm bis über die Achseln geht. Buben machten ihn an der Fastnacht noch vor wenigen Jahren nach. Einer fuhr auf dem Leiterwagen, hüben und drüben hing der große, künstliche Schlapphut hinab.

Der Breithut selber ließ sich schon lang nicht mehr sehen6.

6

Meier, schwäb. Sagen, S. 93. Geislinger, O.A. Beschrbg. S. 267. Rochholz A.S. I. 122 ff. Breithutige Geister a.a.O. II. 68, 131. Vernaleken, Mythen etc. 1859 S. 30, 38. In einer Sage von Neuweiler in Baiern erscheint der »Breithut« auch. Publication des Alterth. Vereins für Schwaben und Neuburg 1857. LXXXVI. Ich erinnere an »Sîdthöttr« = der Breithutige in der Edda. Grimm, Myth. 2. Aufl. I. 133.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 8-10.
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