245. Kette um die Kirche.

[157] Mündlich.


Ein Bauer fuhr mal mit Korn durch Laupheim nach Biberach. Als er an der Kirche vorbei kam, war's eben Wandlungszeit. Dessenungeachtet knallte er gewaltig drauf los. Siehe da! er konnte auf einmal nicht mehr weiter;[157] wiewol auf ebener Straße, will kein Roß mehr anziehen. Da gelobt er in Eile und Angst, er wolle eine Kette um die Kirche machen lassen. Da geht's wieder, er kommt glücklich nach Biberach. Auf dem Rückweg denkt er seines Gelöbnisses nicht mehr, aber wie er an der Kirche vorbei will, kommt er wieder nicht weiter, bis er die Kette machen läßt. Sie ist noch jezt zu sehen132.

132

Ketten um Kirchen war seit Alters nichts Seltenes. Um die Kirche zu Aigen in Niederbaiern geht eine gemalte Kette; um die Kirche auf dem Berge bei Brixen; um die St. Leonhardskirche in Latsch (Tirol) gehen Ketten. Die Ketten symbolisiren das Band, das die Kirche umschlingt, ihre Kinder um Christus, deshalb geht die Laupheimer Kette vom Christusbild aus. Diese Ketten bezeichnen ferner, daß die Kirche eine Freistätte sei. Statt Ketten findet man auch Schnüre, z.B. an Gemälden. Vgl. Menzel, Symbolik.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 157-158.
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