581. Hans Bär.

[350] Mündlich.


Ein Bauer holte sich im Walde Holz. Er lud Tannenbäume auf, aber es kostete viel Schweiß. Plötzlich kam der Hans Bär dahergegangen und lachte die Bauersleute aus,[350] daß sie sich wegen eines so lausigen Steckleins so verlitten. Da sagte der Bauer unwirsch, wirf's du hinauf, daß die Achsen krachen, wenn du so stark bist. Der Hans ließ sich das nicht zweimal sagen und legte Tann auf Tanne, daß dem Bauer und seinen Leuten grauete. Da fragte ihn der Bauer, ob er nicht bei ihm Dienst nehmen wollte, denn seine Stärke wär für das Geschäft schon recht. Der Hans bejahte es und trat den Dienst gleich an, jedoch wollte er nur um das Essen dienen. Er hieß den Bauer getrost heimgehen, er wolle alles Holz, was noch draußen herumliege, mit den Stieren heimschaffen. Der Bauer ging und erzählte seinem Weibe von dem starken Knecht. Ehe er recht ausgeredet, kam der Hans mit dem Wagen, den er unmäßig mit Stumpen gefüllt hatte, daher gefahren, indem er ihn selbst zog, denn da ihn die beiden Ochsen nicht fortziehen mochten, schlug er mit Klafterstecken drauf los, in der Meinung, es gehe nicht so hart an, und erschlug auf diese Weise beide. Die Leichname der Ochsen aber legte er auf den Wagen zu den Stumpen. So kam er heim. Die Bäurin schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schalt ihren Mann ob seines Handels mit dem Knecht. Jezt wollte der Hans essen, und da man ihm den Laib vorsezte, aß er ihn ganz und trank alles Bier, das für die ganze Familie bestimmt war. Jezt jammerte die Bäurin abermals über den »fürchtigen Ruechen«. Der Bauer gab ihm auf, andern Morgens in der Früh den Garten umzugraben. Das verstand der Hans wörtlich und grub ihn so um, daß die Bäume wie der Mist unter der Erde lagen. Jezt war es dem Bauer bald bange und er ging zum Pfarrer und holte sich Raths. Der sagte, es müßte dieser Knecht der Leibhaftige sein, er solle ihn daher einen Brunnen graben lassen,[351] und wenn er tief genug unten, einen Mühlstein auf ihn hinabwälzen, um ihn zu tödten. Der Hans grub unverdrossen seinen Brunnen, aber nicht mit Hacke und Schaufel, sondern mit den Fingern. Als er tief gegraben hatte, halfen die übrigen Bauern seinem Herrn den Mühlstein hinabrollen. Da schalt unten der Hans, man sollte die Hennen hinwegjagen, die ihm Koth in die Augen scharrten. Als er herauskam, lag ihm der Mühlstein um den Hals wie eine Halskrause. Weil ihn nun der Bauer nicht los werden konnte, wurde die Bäurin böse und schalt den Knecht und wollte ihm nicht genug zu essen geben. Da gab er der Keifferin eine Ohrfeige, daß ihr Kopf unter die Bank flog. Das war dem Bauer kein großes Leid. Jezt schickte er seinen Knecht aus, damit er ihm die drei schönsten Weiber der Welt zur Auswahl heimbringe, in der Meinung, die würde der Hans seiner Lebetag nie finden. Der Hans machte einen gewaltigen Ranzen und steckte gleich zwei Paar geräucherte Schweine als Reisezehrung in ihn hinein. Der Bauer mußte ihm jedoch vorher noch zusagen, daß er vom Hans einen Nasenstüber kriegen wolle, wenn er just die schönsten Weiber der Welt bringe. Als der Hans seines Weges dahinlief, sah ihn von weitem ein Schuhmacher, der auf Reisen war und lief davon. Aber der Hans hatte ihn bald eingeholt und steckte ihn in die Westentasche. Nicht minder schlimm erging es einem reisenden Schneiderlein. Da kam er in einen Wald, darin stand ein verlassenes Haus. Das bezogen die Drei. Er befahl nun dem Schneider, das Feuer auf dem Heerd aufzumachen, dem Schuster aber, mit ihm auf die Jagd zu gehen, um zu treiben. Als sie aber heim kamen, brannte kein Feuer und fand man den Schneider unter dem Hennengitter. Der erzählte, wie eine Hexe[352] durch das Kamin heruntergefahren, als er das Feuer aufgemacht und ihn sehr geängstiget habe. Da sagte der Schuster, er fürchte sich nicht und er wolle das Feuer anzünden. Hans und der Schneider gingen auf die Jagd. Als aber diese heimkamen, fanden sie den Schuhmacher unter dem Ofen, dem war es ergangen wie dem Schneider. Da schickte er die Beiden in den Wald und blieb selbst im Haus. Bald hernach kam die Hexe und wollte ihn hindern Feuer zu machen. Da nahm er die Hexe bei den Beinen und schlug sie so lange an die Wand, bis sie ihn bat, abzulassen, sie wollte ihm sagen, wo die drei schönsten Weiber wären. Sie bezeichnete ihm eine Höhle, da würden sie zu finden sein. Da brachen die Drei auf und reisten zu der Höhle. Die zwei Gesellen des Hans ließen ihn an einem Strick hinab, und siehe da, in der Höhle fanden sich die drei schönsten Weiber. Jezt ließ er die Erste von ihnen am Strick hinaufziehen. Als sie aber oben ankam, wollte sie der Schneider und auch der Schuhmacher haben und zerzausten sich deswegen beide die Köpfe. Als die Zweite kam, war der Friede hergestellt. Sie verabredeten sich schnell einen Baum in's Loch hinabzulassen und mit den Weibern davon zu gehen. Gesagt, gethan. Da war Hans mit der Dritten allein unten und fand keinen Ausgang mehr. Da kam die Hexe und lachte ihn aus. Hans aber nahm sie und schlug sie dermaßen an die Wand, daß sie ihm gerne einen Ausgang aus der Höhle zeigte. Nun trat er mit der dritten Jungfrau an's Tageslicht. Die zwei Andern waren verschwunden. Da eilte Hans den Bösewichtern nach und nahm ihnen ihren Raub ab. Die Bursche selbst beohrfeigte er, daß sie auf dem Platze blieben. So kam er eiligen Schrittes mit den drei Mädchen zu seinem Bauer heim. Da erinnerte er[353] diesen an sein früheres Versprechen von wegen des Nasenstübers. Der Bauer wollte nicht daran. Allein Hans drängte. Der Bauer hielt hin und im Nu schnellte ihm Hans die Nase sammt dem Kopf über den Rumpf hinab. Da war Hans allein Herr im Hause und hausete mit den drei Mädchen bis an sein Ende. Der Hans war der Sohn einer Riesentochter und eines Fürsten Kind, ward im Wald aufgezogen und verlief sich dazumal, als er zum Bauer kam.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 350-354.
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