596. Legende von Mariä Flochberg.

[374] Mündlich und aus einem kleinen Wallfahrtsbüchlein.


Die Wallfahrtskirche Mariä Flochberg, unweit Bopfingen, entstand also. Ein Knabe von Flochberg habe die hinfällig Krankheit gehabt. Da gelobten die betrübten Eltern eine Wallfahrt nach Unterkochen. In der hl. Pfingstnacht darauf erschien dem Knaben eine wunderschöne Frau, in himmelblauem Rock mit leuchtenden Spitzen von oben bis unten und mit scheinendem Glanz auf dem Haupte. Die hob des Buben Haupt vom Bette liebreich auf und sprach: »Geh' um Betläuten Abends in den nächsten langen Roggenacker, da ist eine Wurzel, grabe sie aus, sie wird dir helfen und dich gesund machen.« Die andere Nacht kam die Frau wieder und sagte das Nämliche. Der Bube wollte endlich mal auf den Roggenacker. Die Mutter ließ die Sache nicht gerne zu, vertröstete den Buben bis der Vater von Wallerstein komme, wo er arbeitete. Mittlerweile kamen vierzehn Tage herum; der kranke Knabe war immer noch nicht auf dem Roggenacker. Zum dritten Mal kam die schöne Frau und sagte: »Gehe zu anbrechender Nacht, wenn man das Gebet läutet, hinaus auf den langen Roggenacker, da wirst du eine Wurzel finden, diese grabe aus und hänge sie an den Hals, so wirst du wieder gesund werden.« An St. Peter und Paul wollten sie gehen, da kam ein Gewitter. Bei der[375] nächsten Gelegenheit gingen Vater und Sohn mit Stemmeisen hinaus. Schlag Betglocke grub der Bube, nachdem beide auf den Knieen vorher beteten. Kaum dreißig Schritte im Roggenacker kam die Erscheinung wieder und hatte die Wurzel auf der Hand und sagte: »Mein Sohn! stehe auf, allda wird dir geholfen werden,« drückte ihm die Wurzel kreuzweis an die Stirne, benezte ihre Fingerspitzen mit einem Wasser aus einem Krystallfläschchen, den Knaben an Stirn, Herz, Händen und Füßen in Kreuzesform; ermahnte ihn und verschwand. Der Knabe wurde gesund. Zum Andenken erhob sich ein Bildstock und bald eine Kapelle zu »Mariä Flochberg«304.

304

Vgl. Panzer II. 12.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 374-376.
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