§ 6. Juthungen.

[16] In seinem werthvollen Werke: »die Deutschen und ihre Nachbarstämme« stellt Zeuß die merkwürdige Behauptung auf,[16] die Juthungen seien ein Zweig der Jüten, welche von der kimbrischen Halbinsel aus mit Angelsachsen Britanien eroberten, ja selbst Nachkommen jener Teutonen, welche, die ersten Germanen, Rom zittern machten. Dem widerspricht Grimm in seiner Geschichte der deutschen Sprache. Zeuß neigt sich ferner der Ansicht zu, daß unter den Sedusiern, welche dem Ariovist nach Gallien folgten, nur Eudosen zu verstehen seien; zum Beweise beruft er sich auf eine untadelhafte Lesart in einer Handschrift. Die Wortform »Eudosen« sei aber nichts denn Erweiterung des Wortes: Juten. Hierin stimmt Grimm zu. Ja Zeuß geht noch weiter und deutet das Wort Ziuuari, womit die Wessobruner Handschrift Suapo erklärt, auf jene Τευτονοάροι, welche Ptolomäus als eine Abtheilung der Teutonen zwischen Sueven und Sachsen aufführt. Damit würde freilich die Deutung der Ziuuari aus Ziu oder Tyr, dem Kriegsgotte, fallen.

Diese Juthungen finden sich nun um das Jahr 230 in der Nähe der Quaden an der Donau, im Osten Germaniens. Als Jutugi führt sie die peutingerische Tafel dort auf. Sie folgten dem allgemeinen Zuge nach Südwest und sind noch vor den Burgunden in den ehemaligen Sitzen der keltischen Armalausi. Unter Gallienus sind sie schon den Alamannen östlich zur Seite, mit ihnen verbündet, und bald darauf an der oberen Donau, denn Aurelian muß sie aus Vindelikien zurücktreiben. Seitdem erscheinen sie als Nachbaren des rhätischen Italiens und werden stets als ein Theil der Alamannen bezeichnet. Wie diese für Gallien, werden jene für Rhätien und Italien zur furchtbaren Geisel.

Nach dem Jahre 430, in welchem Aëtius gegen sie kriegte, wird indessen dieser Name nicht mehr genannt; das Volk hat sich wohl selber den einst großen und ehrwürdigen Namen der[17] Sueven, zu welchen sie früher selbst zählten, beigelegt. Von nun an wird Sueve für Alamanne und umgekehrt gebraucht, ohne einen Unterschied zu machen. Die Völker zwischen Vogesen und Lech waren in Eines zusammengewachsen, und zuletzt kam es dahin, daß der Name Sueven, Suaven, Suaben der alleinherrschende wurde. Noch heute gilt Schwabe als Bezeichnung der Deutschen in Ungarn und den südlichen Slavenländern, wie Alamanne bei den Westromanen.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XVI16-XVIII18.
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