§ 8. Christenthum.

[18] Zur Zeit der Römerherrschaft zählte das Land wohl schon einzelne Christen, insbesondere seit Kaiser Konstantin der Große dem Heidenthum abgesagt hatte. Die heidnischen Alamannen, alles Römische und damit auch das Christenthum hassend, waren weniger für die neue Lehre geneigt. Mit den alten Göttern hatten sie gesiegt, warum sollten sie ihnen untreu werden? Anders wurde es aber mit dem Tage von Zülpich, an dem der Christengott den Feinden den Sieg verliehen. Dieses erschütterte den Glauben an die Stammesgötter. Sieger und Besiegte,[18] Franken wie Alamannen, wendeten sich der Kirche zu. Noch mehr. Die germanischen Völker, welche schon früher sich bekehrt hatten, wie Ost- und Westgothen, Vandalen, Burgunden, Longobarden, hingen dem arianischen Irrglauben an. Chlodwig, der Frankenkönig, wurde Katholik. Damit war auch der Sieg über den germanischen Arianismus eingeleitet. Ohne dieses weltgeschichtliche Ereigniß war der Bestand der katholischen Kirche gefährdet. Die Kirche verhalf den Franken zur Weltherrschaft, diese hingegen retteten Papst und Kirche gegen arianisch-christliches Heidenthum, gegen byzantinischen Abfall, gegen Muhamed. Von nun an gingen alle Germanen, früher oder später, in die Kirche ein. Der Arianismus, von welchem St. Hieronymus klagt, die ganze Welt sehe mit Verwunderung, daß sie arianisch sei, verschwand von dem Erdboden.

Neben den fränkischen Königen, welchen in mehrfacher Absicht die Ausbreitung des Katholicismus am Herzen lag und später die Gesetzgebung ein wirksames Mittel hiefür zu Handen gab, wie denn das alamannische Rechtsbuch ganz wohl ein Führer zu Christus genannt werden mag, entwickelten bald die christlichen Glaubensboten aus den britischen Eilanden unermüdeten Eifer für Bekehrung der deutschen Heiden. Als Apostel Alamanniens verbreitet schon zu des ersten Chlodwig Zeit der Irländer Fridolin die Lehre des Heiles von Seckingen aus, einer Insel im Rheine, durch den Breisgau und die Schweiz; mit größtem Erfolge aber hundert Jahre später St. Kolumban † 615, und St. Gallus † 640, erst am Zürchersee, dann am Bodensee zu Arbon und Bregenz, mit ihm St. Landolin im Schwarzwald, St. Trudpert † 634 wieder im Breisgau, im Osten St. Mang oder Magnus, der Apostel des Allgäus † 645. Den Schluß der Reihe bildet der fränkische Wanderbischof St. Pirmin † 754, der in Alamannien und Bayern zugleich mit[19] Wort und That Großes leistete. Durch den Angelsachsen Winfrid, gewöhnlich St. Bonifaz genannt, erhielt die Christianisirung des oberen Deutschlands ihre Vollendung, darum ist er auch als Apostel der Deutschen geehrt. Für Aufnahme und Erhaltung des Christenthums waren auf alamannischem Boden drei Bisthümer errichtet: Augsburg, Straßburg, Konstanz. Von Franken herauf übten die Bisthümer zu Speyer, Worms, Würzburg wohlthätigen Einfluß. Das von Konstanz aber überragte alle andern deutschen Sprengel. Vor der Kirchenspaltung zählte es 1760 Pfarreien, 350 Klöster, 17000 Priester und Mönche.

Als erste christliche Kirchen werden genannt Calw und Hirsau um 640, hundert Jahre darnach noch Laufen, Heilbronn und Ellwangen. Uebrigens zeichnet nichts mehr die Erfolge Winfrids als die merkwürdige Thatsache, daß vor dem Jahre 750 nicht über acht christliche Kirchen bekannt sind, um 800 aber deren schon sechzig genannt werden.

In älterer Zeit wurden viele Kirchen dem hl. Gallus geweiht, doch ist der volksthümlichste Heilige St. Konrad † 976, ein Welfe und Sohn des Grafen Heinrich von Altdorf und der Gräfin Ata von Hohenwart, Freund des hl. Bischofes Ulrich von Augsburg; sein Andenken bewahren die allüberall ihm zu Ehren errichteten Kapellen. Kirchenheilige wie St. Martin, St. Remigius, St. Eligius u.a. verrathen fränkischen Einfluß. Waren ja auch Franken bei der friedlichen Bekehrung der Alamannen thätig.

Die ältesten Kirchen werden wohl auf den Namen des Apostelfürsten Petrus geweiht sein; er wies nach Rom. Wahrscheinlich ist er an die Stelle des heidnischen Donnergottes getreten. Martinskirchen könnten auf eine Opferstätte des Wuotan, Michaelskirchen auf Frô zurückgeführt werden. Es lag nahe, heilige Stätten der Heiden, welche das Volk zu besuchen[20] gewohnt war, in christliche Kirchen umzuwandeln und jenen Heiligen dafür zu wählen, welcher irgendwie dem Heidengotte sich angleichen ließ. Doch muß man bei solchem Urtheile behutsam vorgehen; es ist diese Frage noch zu wenig behandelt. Oertliche Lage, Sage und Brauch geben sichern Anhalt. Daß Liebfrauenkirchen die Mehrzahl bilden wie allerwärts, darf bei dem Geiste der Germanen nicht befremden.

Wo gäbe es ein Land, welches auf verhältnißmäßig beschränktem Raume so viele und so herrliche Denkmale christlichen Sinnes und opferwilliger That aufzuweisen hätte als Schwaben? Die Wunder deutscher Baukunst, die Münster von Ulm, Freiburg und Straßburg sind redende Zeugen mittelalterlicher Herrlichkeit. In zweiter Reihe rühmen die alte Zeit die kunstvollen Kirchenbauten zu Heilbronn, Schwäbisch-Hall, Eßlingen, Gmünd, Maulbronn und andere. Der Dome auf Schweizerboden sei hier gar nicht gedacht, auch nicht der kirchlichen Bauwerke in Bayerisch-Schwaben, und mancher im Elsaß. Sehen wir uns näher um, so sind sie fast alle im Ringe von Reichsstädten beschlossen. Aber lange vorher haben Fürsten und Grafen freudig ihr Besitzthum dahingegeben, um Klöster zu gründen, um durch sie das Christenthum zu festigen, den wilden Boden in fruchtbares, blühendes Gartenland umzuschaffen, für Wissenschaft und Kunst einen Ort der Zuflucht zu eröffnen. Dieses Verdienst ist nicht minder groß und nicht geringer die Ehre, die ihrer gebührt. Fürsten und Grafen standen der Wiege des Christenthums zur Seite, Reichsstädte bauten ihm das prächtige Haus.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XVIII18-XXI21.
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