36. Mutschelntag.

[17] Zur Zeit, als Reutlingen noch eine freie Reichsstadt war, wurden am Donnerstag nach dem Dreikönigsfest die Bürger,[17] so sich das Jahr über verheirathet hatten, unter das Stadtmilitär eingereiht. Zu Ehren dessen fand ein achttägiges Scheibenschießen statt, wobei ein besonderes Backwerk, die sog. »Mutscheln« (ein Backwerk in Form eines Sternes), herausgeschossen wurden. In diesen acht Tagen nun durfte nicht gearbeitet werden, und keine Hausfrau durfte es wagen, auch nur ein hartes Wort zu äußern, selbst wenn der Mann die vollen acht Tage nicht nach Hause kam, nur mußte er seinen Mutschelpreis erringen. Das Schießen findet nicht mehr statt, die achttägige Feier hat sich auf einen Tag (den genannten Donnerstag nach dem Dreikönigstag) reducirt, an welchem die Mutscheln gebacken und den Tag über bis in die späte Nacht hinein in allen Weinwirtschaften herausgespielt werden, und wehe dem Ehegemahl, der an diesem Tage nicht einige Mutscheln mit nach Hause bringt.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 17-18.
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