149. Der Pfingstritt in Zimmern ob Rottweil.

[124] Der Pfingstritt findet in Zimmern nicht jedes Jahr statt: nur wenn gerade Lust und Liebe der Jugend dazu vorhanden ist. Am Pfingstmontag nach der Vesper, die etwas früher als sonst stattfindet, sezt sich der stattliche Zug unter dem Schall einiger Instrumente, umgeben von der Jugend des Dorfes, sowie einer großen Menge Neugieriger, in Bewegung zum Pfarrhaus. Hier wird Halt gemacht und die erste Aufführung gegeben. Sie besteht darin, daß die verschiedenen Personen, als: ein König, ein Soldat, ein Vater und ein ungerathener Sohn, der sog. Pfingsthagen, der ganz im Reisig steckt und einem Waldungethüm gleicht, ihre Sprüche zu Roß alle hersagen. Vom Pfarrer geht es zum Schultheiß und zu allen bessern Häusern des Ortes, bis am Ende im Wirtshaus in Lust und Heiterkeit, in Singen und Trinken Ergötzung gesucht wird. Die Sprüche, die sie vor den Häusern thun, lauten folgendermaßen:[124]

Husar.

Ich bin ein ungarischer Husar,

Und was ich red', ist alles wahr.

Ich laß mir schenken ein

Eine Maß Wein.

Die Zech' werd' ich bezahlen mit Silber und Gold.

Den schönen Jungfern bin ich hold,

Den schönen Jungfern will ich winken,

Gesundheit will ich mit ihnen trinken.

So ihr Jungfern, schaut mich einmal recht an,

Wie ich euch so lieblich winken kann.


Koch.

Koch, Koch unterm Ofenloch,

Siedet's nicht, so brotet's doch.

Habe viele Herren eingeladen,

Die Katzen haben mir das Fleisch fortgetragen;

Da bin ich in den Wald gegangen,

Hab' brav Wildpret zusammengefangen,

Hab's mit Haut und Haar in den Hafen gesteckt,

So hat's mir und meinen Herrn recht wol geschmeckt.


Goliath.

1.

Du bist David, das Königlein,

Ich schäme mich mit dir zu schlagen,

Deinesgleichen wollt ich ein ganz Regiment verjagen.

Du stehst zwar schön und gut

Und willst wider mich fassen den Mut;

Aber wirst du mich noch einmal ertallen,

So wirst du mit Schande davon fallen.
[125]

2.

O ihr Herren, ihr müßt mir vergeben,

Nach eurer Gnad' will ich jezt leben,

Auf euren Gott will ich jezt bauen,

Und meinem Abgott nicht mehr trauen,

Denn er hat mich betrogen so sehr,

Mit euch will ich schlagen nimmermehr.


Vorreiter.

Wir reiten daher in Gottes Namen,

Gott grüß euch Alle froh beisammen,

Ihr Jungfrauen und Gesellen,

Hört, was ich euch will erzählen!

Ich hab' gestern Abend spät vernommen,

Ihr sollt zu uns in's Wirtshaus kommen.

Bei einem guten Glas Wein,

Da wollen wir Alle recht wacker und lustig sein.

Vivat, lustig in Ehren

Kann uns Niemand wehren.


Der Offizier

spricht jezt folgenden Spruch:


Ich bin ein Offizier,

Hier will ich schlagen mein Quartier.

Ihr Bauern müßt uns recht verpflegen,

Müßt uns recht zu essen und zu trinken geben;

Kapaunen und Fisch

Müßt ihr uns stellen auf den Tisch.

Wein müßt ihr uns geben,

Sechs, acht bis zehn Maas Wein,

Sollt' es gleich ein ganzes Faß voll sein.[126]

Ihr Bauern, ihr dürft euch nicht beklagen,

Wenn diese Bursche Eßlust haben.

Habt's gehört, macht's fein recht,

Ein braver Mann ist nie ganz schlecht.

Woher, woher treibt euch der Wind,

Daß eure Stiefeln und Sporn so staubig sind?


Hauptmann.

1.

Er hat wollen eine neue Welt anfangen,

Aerger als man sagen kann.

Platzmeister bin ich allhier,

Platzmeister bin ich zu jeder Zeit.

Ich bin gestern Abend spät aus der Stadt,

Hab' mit Einem Händel gehabt,

Hab' ihn zum Teufel hinaus gejagt.

He! raus mit der Fuchtel!


(Hier zieht der Hauptmann den Sabel und fuchtelt.)


2.

O ihr Herren, ihr müßt mir vergeben,

Ich möcht in guter Ruh nur leben;

Weil es aber nicht kann sein,

Muß ich leben mit der ganzen Welt gemein.

Es ist mir erst spät eine Zeitung zugekommen,

Daraus hab' ich vernommen,

Daß wenn der arge Feind thut wüthen,

Soll ich ihm gleich mein Schwert anerbieten.

Ich ergreife nun mein Schwert der Liebe und Gerechtigkeit;

Denn wenn wir unsere Herrn nicht wollten ehren,

Würde sich der himmlische Fechtmeister wider uns wehren.

Der tapfere Held St. Michael,[127]

Er schlug darein mit seinem Schwert,

Verjagt die ganze Ketzerheerd.

Wenn wir unsere Sünden werden beweinen,

Werden wir besiegen alle und jede unsere Feinden.


Mohrenkönig.

1.

Ich bin der König der Mohren,

Wie ihr mich seht, bin ich geboren.

Ich hab ein weiß Haar

Und ein schwarz Gesicht,

Ein Jeder glaubt, er kenn' mich nicht.

Meine Lefzgen sind so roth;

Ich ess' auch gern ein gut Stück Brod,

Ich trink' auch gern ein Glas voll Wein,

Dann werden meine Lefzgen noch viel röter sein.

Ich hab' auch schon Manchen erschreckt,

Wenn ich meine weißen Zähne verblöckt.


2.

Du verfluchtes Kind,

Daß ich dich so hoch anbring;

Wegen deiner hab' ich gewuchert und gerackert,

Manch' Armem sein Sach abgerackert.

Dies betrübt mich so sehr,

Daß du dich nicht bekehrst.

Mit mir wird's nimmer besser werden,

Bis man mich schiebt unter die kühlen Erden.


3.

Ich bin der König der Mohren,

Viel Land und Leut' hab' ich verloren;[128]

Es ist mir meine größte Freud',

Wenn ich Städte und Dörfer zusammenschmeiß'.

Kupfer und Blei ist mein baares Geld,

Hab' ich kein Bett, so schlaf ich im freien Feld.


Der Sohn des Mohrenkönigs.

Ich bin des Königs Mohrensohn,

Ich hab' meinem Vater Alles verthun,

Hab' gefressen und gesoffen,

Der beste Wein ist mir die Gurgel abigloffen.

Ringer wäre ich zu Hause geblieben

Und hätt' meinem Vater die Ochsen getrieben.

Ochsen treiben mag ich nicht,

Und zu betteln schäm' ich mich.


Hauptmann.

Ueber alle Wiesen und Brachäcker,

Was geht's dich an, du junger Lecker,

Was hast du mit dem alten Mann,

Was hat er dir denn Leids gethan?


Vorreiter.

Goliath, Goliath, ich thu' dich ermahnen,

Schwöre unter die christlichen Fahnen,

Rücke gegen König David deinen Hut,

So wird es dich nimmermehr dürsten nach Christenblut.


Offizier.

Ich reite daher so fest,

Grüß euch Gott und eure Gäst!

Würd' ich den einen grüßen und den andern nicht,[129]

So wäre ich ein rechter Offizier nicht.

Ein rechter Offizier bin ich genannt,

In Welsch- und Deutschland wol bekannt.

Dem Hauptmann bin ich sein Fourier;

Thut er mir spendieren,

So werd' ich ihm sein Volk hier einquartieren.

Thut er mir aber nicht spendieren,

So werd' ich ihm sein Volk wieder weiter führen.

Zu Straßburg auf der Bruck,

Da kocht man eine gute Supp,

Am Mittag einen guten Braten,

Daß sich ein Jeder kann d'ran laben.

Nun Herr Hauptmann, komm' herbei

Und sprich, was dein Beiname sei.


Maienführer, rechts.

Maienführer, das bin ich,

Alle Jungfern lieben's mich.

Den Maien führ' ich an meiner Seite,

Mit meinen Feinden muß ich streiten,

Wenn sie mich schlagen,

So muß ich es haben.

Erhalte ich aber den Sieg,

So ist es mir lieb.

Will sich ein Andrer mischen drein,

So muß es kein guter Freund zu mir sein.

Daß der Maien nicht wird wanken,

Das habe ich den hiesigen Jungfrauen zu verdanken,

Denn sie haben ihn festlich geziert,

Wie es einem tapfern Führer gebührt.

Deßhalb sage ich es offen,[130]

Sie haben einen guten Lohn zu hoffen.

Ihr Jungfern, seid nur nicht verzagt,

Merkt auf, was mein Kamerad euch sagt.


Maienführer, links.

Maienführer, Maienführer bin ich genannt,

Den Maien führ' ich in meiner linken Hand,

Und wie der Maien fällt,

So reit' ich, daß der Boden schnellt.

Bleibt aber der Maien aufrecht stehen,

So will ich mit meinen Kameraden in's Wirtshaus gehen.

Meine Kameraden sind mir wol bekannt,

Sie geben mir den Maien in die linke Hand.

Auch thaten ihn die Zimmerer Jungfrauen schön zieren,

Weil sie mich immer gerne möchten verführen.

Darüber hab' ich mich aber besonnen,

Ich wollte sie nehmen zum Tanz in die Sonnen.

Weil aber kein Tanz in der Sonne ist,

So muß ich gebrauchen eine andere List.

Doch will ich sprechen nicht zu viel,

Wegen meiner kann jede gehen, wo sie will.


Zweiter Husar.

Ich bin der Unterst und der Oberst unter denen Husaren,

Sehr strenge werde ich mit den Türken verfahren,

Wann kein Kriegsheld mehr etwas richten thuet,

So hab' ich wieder frischen und frohen Mueth.

Rebeller, Rebeller, heut' mußt du sterben.

Könnte ich gleich dein Trompeter werden,

Könnte ich halten,

So würd' ich dir sogleich den Kopf zerspalten.[131]

Könnt' ich dich zwingen,

So würde ich dich sogleich umbringen.


Oberjäger.

Oberjäger, Oberjäger, das bin ich,

Und alle Thiere fürchten's mich.

Treff' ich eins im Gebüsch,

Benutz' ich gleich des Waldmanns List.

Schieß solches scharf auf Ripp und Bein

Und bring es meiner Herrschaft heim.

Heute bin ich in den Wald geloffen,

Hab ein' Hirsch stark angeschossen,

Doch als ich denselben wollte holen,

Ward von Wilddieben er gestohlen.

Mein Unterjäger kam herbei

Und fragte mich, was dieses sei.

Ich konnte sogleich an ihm munkeln,

Daß er Gemeinschaft hat mit diesen Schurken.

Als ich ihn wollt' nehmen in Verhaft,

Hat er sich flüchtig durchgemacht.

Was er mir sagt zum Trutz,

Sagt er, ich selbst sei auch nichts nutz.


Der arme Bauer.

Ich bin der arme Bauer,

Mein Leben wird mir mächtig sauer,

Jezt treib îs no bis Martistag,

Dann kommt mi allergrößte Plag.

Das alte und das neue,

Und keine Frucht in meiner Scheuer.

Bring ich was auf den Markt,[132]

So pressen mich die Leute so arg;

Der Eine reißt mich hin,

Der Andere reißt mich her.

Und so treiben sie's lange Zeit mit mir,

Bis ich mein Geld unter sie vertheil,

Und bleibt no was übrig,

So kauf î, was î kaufe ka,

Karnsalbe, Schmiere,

Und dann ist mein Beutel scho wieder leer.

Der Pflug hat keine Wägeisen,

Der Wage hat keine Leitern,

Die Egge hat nur acht Zähn,

Und doch darf ich zu keinem Wagner geh'n.

Ich hab' auch noch drei Pferd,

Aber es ist keins nichts wert.

Das erste hinkt mir hin und her,

Das zweite ist mistfaul,

Das dritte hat kein Zahn im Maul.

Ich hab' auch noch drei Küh', aber nur um's halb,

Dem Metzger g'hört ja schon das Kalb.

Der Amtmann liebt mich überaus,

Er sperrt mich oft in's Narrenhaus.

Der Schultes ist mir auch nit hold,

Ich weiß wol, wo îs hau verschuldt.

I hab' g'seit, er freß mit der G'meind,

D'rum ist er meinem Herzen so feind.

Die Leute klagen mich's bei ihm an,

Ich aber sag', der Büttel hab's gethan.

I will ihm's aber sehr no tränken ein,

Er wird nicht immer Büttel sein.

Geh' ich a mal am Haus vorbei,[133]

So werf ich ihm die Fenster nei.

Der Pfarrer treibt mich zur Geduld,

Er meint, es sei der Sünder Schuld.

Man meint, es sei jezt Alles aus,

So hab ich noch a schweres Joch zu Haus.

Was meint ihr, daß es sei?

Mein Weib, voll Schelmerei.

Sie bringt mir 's Mueß in d'Stube rein

Und brockt mir böse Worte d'rein.

Wollte Gott, sie wär' im Himmelreich,

Dann gäb' sie mir und ich ihr keinen Streich.

O, ihr Herren, wie dank' ich euch,

Daß wir einst Alle kommen in's Himmelreich!

Dort ist Freud ohne Leid,

Von nun an bis in Ewigkeit. Amen.


Unterjäger.

Unterjäger, das ist meine Stell,

Aber ringer wär ich in der Höll.

Muß meinem Herrn untergeben sein,

Habe schlechte Kost und keinen Wein.

Von Morgen früh bis in die Nacht

Muß ich stets bleiben immer wach.

Wenn mich die Jungfern nicht verführen,

So muß ich lauren auf Wilddieben,

Dann diese sind gefährlich, stolz,

Ein Anderer kommt und stiehlt mir 's Holz.

Und ich thu's hier nicht verhehle,

Aus lauter Not muß i au mit helfe stehle.

Ist es kei Stamme auf dem Stock,

So ist es sicher ein Rehbock.[134]

Da hab ich wieder frohen Mut

Und denk dabei, der Wein ist gut.

Oft schieß ich auch hinweg ein Has,

Wenn Jungfern kommen in das Gras;

Wird eine so von mir ertappt,

Wird sie abgestraft im Kapitikap.

Würd' ich aber besser belohnt,

Wie manches bliebe dann verschont.

Deßhalb sag ich's unverhohlen,

Von Jägern wird am meisten g'stohlen.


König David.

Ich bin zwar noch ein jung frisch Blut,

Doch will ich sehen, was Goliath thut.

Ich habe weder Gewehr noch Waffen,

Doch will ich dem Goliath zu schaffen machen,

Ich habe nur Schleuder und Stein,

Und schleudere sie dem Goliath in den Kopf hinein.

Meine Schleuder hat so viel Macht,

Daß sie den Goliath und alle Ketzer zu Schanden macht.

Schau her, du ungeheurer Goliath,

Was diese Schleuder für gold'ne Buchstaben hat.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 124-135.
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