169.

[167] An Allerheiligen und Allerseelen geben in der Rottenburger Gegend (von andern Theilen des Landes weiß ich es nicht gewiß) die Dotte und der Dötte44 ihren Dotten- und Döttiskindern Saẽle (Seelen), eine länglichte, oben und unten zugespizte Art mitteldicke Kuchen mit Eiergelb bestrichen. Je nach Vermögen fallen diese Saẽle dünn oder dick, groß oder klein, mürb oder stärrig aus. Auch Firmdotte und Firmdötte geben die Saẽle, so daß oft ein Mann oder Frau 15-20 und 30 solcher Saẽle geben muß. Es dauert das Geben bis in's 14., 15. Jahr. Das Austragen spielt bei den Kindern eine große Rolle; an diesen Tagen begegnen einem Dutzende einzelner Kinder auf allen Straßen und Wegen, die Saẽle über Feld tragen. Das Trinkgeld zahlt in der Regel die Ausgabe. Die Buben und Mädchen rechnen schon lange vorher darauf, und das[167] Sparhäfele macht sich in dieser Zeit gut. In Wirtshäusern trifft man überall Saẽle aufgetischt, wie in Oberschwaben die Funkenringe. Im Lechrain (Leoprechting S. 200) sind die Seelenzöpfe bräuchig, die Tauf- und Firm-Godln gegenseitig einander schenken.

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Dotte und Gotte, Dötte und Götte sind uralte Worte, die noch nie erklärt worden sind. Walefrid Strabo hat todo = genitor; toda = genitrix. Grimm, Wrtb. II. 312. Schmeller I. 464. Schmid 116. Graff V. 381 toto, tota. Wir müssen ein goth. dutha annehmen vom Stamm duth diuthdauth, dessen Bedeutung ist = heranwachsen, stark werden. Dötte, Dotte sind die Erwachsenen im Gegensatz der Kleinen, der Kinder.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 167-168.
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