Der Hochzeitstag

[362] ist nun angebrochen. Morgens wecken wieder Böllerschüsse die Leute.

Die Braut legt ihre schönsten Kleider an, wobei[362] ihre Gespielinnen mithelfen. Ihr Haar ist niedlich geflochten, in zwei Zöpfe getheilt, mit schönen roten Bändern geschmückt. Heute schickt sich's aber nicht mehr, dieselben hinten hinunter zu hängen, sondern sie muß die Zöpfe in ein Nest zusammenflechten, durch welches man die silberne Haarnadel steckt. Der hochrote oder grasgrüne kamelotne Rock, in hunderte von Falten gelegt, ziemlich kurz (welcher, beiläufig gesagt, ein Menschenalter aushielt), ward durch ein schönes Mieder gehalten, in welches er eingehäkelt wurde. Es bestand aus schwerem Seidenstoff und war eingefaßt von zwei Finger breiten ächtgoldnen Borten. Der obere Theil des kostbaren Mieders war aber halb vom Goller bedeckt, welches oft mit Goldstoff durchwirkt, auch wohl der »süße Name Jesus« künstlich mit farbigen Perlen darauf gestickt war. Der Kittel war meist schwarzes Tuch oder Seide; der Schurz von schwarzer Seide mit ächten Goldborten eingefaßt. Ein schwer-seidenes Halstuch von allen Farben, ebenfalls mit ächten Goldborten verbrämt, legte sich um den Hals, die Halstuchzipfel hingen lange hinab über die Schultern. Schneeweiße Strümpfe und Schlupfschuhe, mit vielen seidenen Mäschchen eingefaßt, zierten den Fuß.

Von Ohrringen wußte man früher nichts. Dagegen zierten den Hals schwere silberne Ketten, Granaten oder Korallen. Auch in den Schurzbändel waren schwere Silberketten eingehäkelt, welche in verschiedenen Verschlingungen die Schürze hinunterhingen und mit vielen Denkmünzen geziert waren. Auf dem Haupte aber prangte noch die bräutliche Krone in kleiner Form, welche zwar nur aus Goldflitter, doch allerliebst aussah. Daß bei diesem durch und durch katholischen Volke das silbergefaßte Nuster nicht fehlte, versteht sich von selbst.[363]

Auch der Bräutigam war heute sorglich gekleidet. Hellblautuchner langer Rock, scharlachrote Weste mit schweren silbernen Knöpfen, kurze Hosen von aufgeriebenem Leder, weiße Zwickelstrümpfe, Schuhe mit silbernen Schnallen standen ihm gar gut. Die silberne Uhr war immer mit einem »Kaschee« behängt, an welchem oft ein Pferd, ein Pflug etc. angebracht war. Auf dem Kopfe trug er heute einen hohen Hut, welchen er den ganzen Tag nicht vom Kopfe abnehmen durfte, außer in der Kirche.

Seine linke Seite, sowie den Hut schmückte sowie alle Hochzeitgäste der »Rosmarin und das Nägele«, hie und da auch mit einem Josaiple zu einem Sträußchen vereinigt. – Das Geschäft, die Lezteren mit einem Strauß zu versehen, ist Sache der »Nähre«, die ein kleines Trinkgeld hiefür erhält.

Der Hochzeitsvater mahnt nun, den Leuten die Morgensuppe aufzustellen. Diese besteht allemal aus Kaffee, welcher in mächtigen Schüsseln schon »eingebrockt« und mit Zucker versehen aufgestellt wird. Auch Weißbier und Schnaps wird hie und da gereicht.

Der Meßner hat schon längst zusammengeläutet, und endlich schickt man sich an, den Kirchgang zu ordnen.

Da betheiligt sich gewöhnlich Jung und Alt. Den Reigen eröffnen die Kinder, die Mädchen mit Kränzen auf dem Haupte, hierauf die ledigen »Mädlen«, ebenfalls mit Kränzen geziert; dann die Braut in Mitte der rechten und der Nebeng'spiel; hierauf die Weiber. Nun folgt der Bräutigam mit seinen zwei G'sellen, zulezt die Buben und dann die »Mã«. – In der Regel ist Hochamt, nachher Kopulation.

Ein Kirchenbube kommt, der Braut den schönen Wachsstock anzuzünden, wofür er einen Groschen erhält, der schon im Wachsstock eingedrückt war.[364]

Nach der Kopulation gehen die Hochzeitleute mit den Zeugen zum Altare und »opfern« dort in den hiezu aufgestellten Teller. Unterdessen hat schon der Organist einen lustigen Marsch angefangen, der so lange dauert, bis Alles aus der Kirche gegangen ist.

Von der Kirche weg gehen aber Braut, Bräutigam und die »Nächsten« einen absonderlichen Weg; es ist dies der Weg auf den Gottesacker, um für die verstorbenen Eltern, Geschwister etc. zu beten. – Es ist dies meist auch ein Opfer an Thränen für die im Leben der hier Schlummernden genossene Liebe, – möglich auch eine Abbitte am Grabe für zugefügtes Leid. Wol eine heilige Sitte!

Kommen sie hier zurück, so erwarten sie die Ministranten und »heben« sie mit dem ausgespannten Cingulum auf, wofür sie herkömmlicher Weise einige kleine Silberstücke erhalten. Wie der Zug gekommen, so geht er wieder zurück, – aber diesmal in's Wirtshaus. Nur der Bräutigam macht hievon allein die Ausnahme: er hat jezt das Recht, an der Seite der Braut zu laufen, denn sie gehört jezt sein. »Gugget jezt işt sie seẽ, sëhet 'rs!« spricht man.

Im obern Stock des Wirtshauses wird zum »Willkomm« Musik gemacht, bis sich Alles versammelt hat; aber wolgemerkt – hinein darf Niemand.

Der alte Feldwaibel M. von Ehingen mit seinem preußischen Hut hat sich (d.h. wenn die Hochzeit in der Stadt gehalten wurde, was meist geschah) vor die Thüre des goldenen Adlers gestellt. Er zieht seinen Hut herab, grüßt in vornehmer Herablassung die »ehrsame Brautleut« und hält nun die

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 362-365.
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