335. Alte Hochzeitsbräuche aus Rottenburg.

[392] Morgens vor der Kirche, wenn der Zug vom Hause herabkam, gingen die Brautführer, es waren deren zwei, der eine lief neben der Braut, der andere neben dem Bräutigam, etwas voraus, und bevor es über die Thürschwelle ging, machte der Brautführer auf der Mannsseite mit gezogenem Degen drei Kreuze auf die Schwelle in den höchsten drei Namen, steckte den Degen ein und der Zug schritt über die Schwelle. Nach der Kirche legte der Brautführer den Degen ab für den ganzen Tag; einen Degen trug sonst Niemand.

War's eine vornehme Hochzeit, so ging's nach der Kirche gleich in den Rathaussaal; der war leer, weil es überhaupt früher auf dem Rathaus weniger zu schaffen gab, denn jezt, wo die Zahl der Bürger so groß ist. Dort war alles Geschirr und alles Gerät in Küche und Saal, dort waren die herrlichen Schenkköpfe aufgestellt, Tische und Bänke und Alles war da. Im Metzgerstüble, dem jetzigen Stadtarrest gleichen Namens, wurde das nötige Fleisch verabreicht. Stadtentschädigung kostete eine Hochzeit einen Gulden; dafür mußte das notwendige Geschirr von der Stadt angeschafft werden.

Aermere hielten ihre Hochzeiten zu Hause oder in einem[392] Wirtshaus, welche man »Zechhochzeiten« hieß; durfte Alles kommen, mußte aber auch Alles schenken; darum solche Zechhochzeiten ein schiefes Licht auf die betreffende Familie warfen, weil Interesse dabei obwaltete. Wer bischen Raum hatte, hielt die Hochzeit zu Hause, wobei nicht selten Scheuern zu Tanzplätzen umgewandelt wurden.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 392-393.
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