380. Der Heubergheuet.

[425] Auf dem sogenannten kleinen Heuberg kommen die Grenzen der Markungen Geißlingen, Dormettingen, Dautmergen, Isingen, Binsdorf und Erlaheim zusammen. Die Felder auf disem Heuberge wurden ihrer kostspiligen Bebauung wegen zu Wiesen liegen gelassen, welche ihrer hohen und rauhen Lage wegen ohnediß wenig Ertrag lieferten.

Es durfte keine Gemeinde vor der andern auf den Heuberg, um die Heuernte zu halten, sondern der Vogt von Geißlingen bestimmte einen Tag, an welchem alle Wiesenbesitzer auf dem Heuberg aus allen Gemeinden Ernte halten mußten. Es wurde Morgens gemäht, und Mittags rückten[425] die Musikanten aller Gemeinden mit Jung und Alt an, um den »Heubergheuet« festlich zu begehen. Es waren Tausende aus all' den genannten Gemeinden versammelt, um sich einer unbegrenzten Freude und Lust hinzugeben. In Buden waren die Wirte aller Orte etablirt.

Nicht selten wurde von den ledigen Burschen verschiedener Gemeinden die Erledigung früherer Zwiste auf den »Heubergheuet« vertagt und in obligaten Schlägereien abgerechnet. Die Verhandlungen des herrschaftlichen »Jahresgerichts« hatten in der Regel auch Heubergshändel zum Gegenstand. Auf den Wie sen wurde bis spät in die Nacht getanzt. Ueber den Tanzplatz führte eine Römerstraße und nicht weit links ligen vier große Römergräber. Ein bei dem Ackern gut hörbarer hohler Ton und die immer häufiger zum Vorschein kommenden Stücke von Vasen, Ziegeln und Mauern sind die Gründe für die Sage einer versunkenen Römerstadt.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 425-426.
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