Lob des Schwein's

[128] Du nützlich Thier, das man mit Eckel nennet,

Und doch so gierig ißt,

Mein Lied soll nun die Welt, die dich verkennet,

Belehren, was du bist.


Wenn dich der Mensch, weil du im Koth und Schlamme

Herumwühlst, garstig nennt:

So frag' ihn: ob er denn von seinem Stamme

Den Urstoff nicht mehr kennt?
[128]

Dir dankt (weiß man das Sprichwort recht zu deuten)

Selbst Pallas ihr Latein:1

D'rum hüllte sich die Weisheit aller Zeiten

Stets in dein Leder ein.


Das Menschenvolk verachtet dich vergebens;

Der weise Epikur

Verspricht uns ja das höchste Glück des Lebens,

Wenn wir dir gleichen, nur.2


Der stolze Mensch in seinem Hoheitstraume

Vergaß schon ganz und gar

Der Eichelkost, die unter einem Baume

Dein und sein Futter war.


Ja, die Gemeinschaft wäre ganz verschwunden,

Die dich zu uns gesellt,

Hätt' nicht ein grosser Heil'ger mit fünf Wunden

Sie wieder hergestellt.


Und hält dich gleich das Volk, das durch sein Stinken

Berühmt ist, nicht für rein,

So weiht man doch um Ostern deine Schinken

Für Christenmägen ein.


Und sind gleich deine groben Borsten nimmer

Von Schmutz und Koth befreit,

So danken wir doch diesen Borsten immer

All' uns're Reinlichkeit.


Dein köstlich Fleisch nimmt ohne viel Beschwerde

Beim schlecht'sten Futter zu:

Der Mensch verschlingt den Fünftelsaft der Erde:

Und nützt er so, wie du?


Sogar dein Speck kann uns in manchem Stücke

Von grossem Nutzen sein:

O würde doch so mancher, der vom Glücke

Sich mästen läßt – ein Schwein!

Fußnoten

1 Sus Minervam.


2 Epicuri de grege porcus.


Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 128-129.
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