[134] Dem edlen Schmaucherorden
In Ost, Süd, West und Norden
Stimm' ich dies Loblied an:
Es soll den Schmaucher lehren,
Wie er mit allen Ehren
Und Vortheil schmauchen kann.
Die grosse Kunst zu schweigen
Sey nur euch, Schmauchern, eigen;
Schreit man das Ohr euch wund:
So steckt, anstatt zu zanken,
Mit ruhigem Gedanken
Das Pfeifchen in den Mund.
Will euch in trüben Tagen
Der Hypochonder plagen:
So setzt euch zum Kamin,
Und laßt in blauen Wölkchen
Der Sorgen banges Völkchen
Von eu'ren Stirnen zieh'n.
[134]
Kommt ihr in Liebesfehde,
Und machet eine Spröde
Durch einen Korb Verdruß:
So braucht das Abschiedsblättchen
Von ihrem spröden Pfötchen
Getrost zu Fidibus.
Macht euer treues Liebchen
In ihrem Extrastübchen
Es auch mit andern so:
So dürft ihr, statt zu grillen,
Nur euer Pfeifchen füllen,
Und denken: Fumigo!
Wenn euch der Ehstand härmet,
Und euer Weibchen lärmet,
Und tobt in eu'rem Haus:
So steckt, anstatt zu keifen,
Flugs in den Mund die Pfeifen,
Und spuckt dabei brav aus.
Wenn Hofgunst euch verführet,
So schmauchet und studieret
Dabei der Grossen Gunst:
Was sie mit vollem Munde
Euch geben, ist im Grunde
Nichts als ein Maul voll Dunst.
Wenn nasenweise Gecken
Und eitle Narr'n euch necken
Mit ihrem Saus und Braus:
So setzt euch in den Winkel
Und pfeift den Eigendünkel
Aus vollen Pfeifen aus.
Umnebelt eu're Geister
Ein dicker Seelenkleister;
So brauchet nur dafür,
Um wieder zu genesen,
Und all den Qualm zu lösen,
Das edle Mundklystier.
[135]
Wenn endlich euch als Greisen,
Gleich Salomon dem Weisen,
Das Leben auch verdrießt:
So denkt: es ist hienieden
Euch doch ein Rausch beschieden
Der nicht ganz eitel ist.
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro