Dem Fräulein M*** von B*

[198] Im Namen eines Freundes, der ihr für einen Kapaun mit Austern ein Exemplar des Meißnerischen Alcibiades verehrt hatte.


Der Freundin, die mir jüngst durch einen köstlichen

Und mit besond'rer Kunst bereiteten

Kapaun bewiesen, daß die Ehre

Von einem Thiere, das die Hühnerwelt

Für unschmackhaft und ungenießbar hält,

Bei Menschen noch zu retten wäre,

Wenn man ihm nur mit guter Art den Saft,

Den es verlor, durch Austern wieder schafft,

Der schick' ich für das köstliche Gerichte –

Für den Kapaun aus ihrer Hand –

Hier einen Hahn aus Griechenland,

Der (wie zum mind'sten die Geschichte

Von ihm erzählt) so tapfer als galant

In ganz Athen nicht seines gleichen fand,

Der stets den schönsten Kamm getragen,

Mit jedem Hahn zur Wette sich geschlagen,

Und darum bei Athens gesammter Hühnerschaar

Beliebt, und überall – der Hahn im Korbe war,[198]

Kurz, den die eckelste der griechischen Damen,

Die sich um ihn oft in die Haare kamen,

In seiner Art gewiß so schmackhaft fand,

Als ich jüngst den Kapaun aus meiner Freundin Hand;

Den aber, weil er seit so manchem Jahr

Ein bischen alt und zäh' geworden war,

Ein deutscher Koch, von dem haut Goût geleitet;

Für unseren Geschmack von Neuem zubereitet;

Den schick' ich hier, und gebe dann

Für einen deutschen, gallisch appretirten Hahn

(Zum Dank für die gehabte Mühe)

Ihr einen griech'schen Hahn in einer deutschen Brühe.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 198-199.
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