Sechste Geschichte

[244] Ricciardo Minutolo liebt die Gattin des Filippello Fighinolfi. Er erfährt, daß sie eifersüchtig auf ihren Mann ist, spiegelt ihr vor, Filippello werde am nächsten Tag mit seiner, Ricciardos, Frau in einem Bade zusammentreffen, und erreicht, daß sie hingeht. Während sie glaubt, mit ihrem Manne zusammen gewesen zu sein, findet sich, daß sie bei Ricciardo gelegen hat.


Elisa hatte nichts mehr zu sagen, als die Königin, nachdem sie Zimas Schlauheit gelobt hatte, der Fiammetta gebot, mit einer anderen Geschichte fortzufahren. Mit freundlichem Lächeln erwiderte diese: »Gern, Madonna«, und begann:

Wir wollen uns ein wenig von unserer Vaterstadt entfernen, die, wie an allen andern Dingen, so auch an Beispielen jeder Art reich ist, und uns, wie es schon Elisa getan hat, etwas mit den Geschichten beschäftigen, die sich in der übrigen Welt zugetragen haben. So will ich mich denn nach Neapel versetzen und euch erzählen, wie eine von den Scheinheiligen, die so spröde gegen die Liebe tun, durch die List ihres Liebhabers dahin gebracht ward, die Früchte der Liebe zu kosten, noch ehe sie deren Blüten erkannt hatte. Diese Geschichte wird euch zugleich für künftige, mögliche Fälle vorsichtig machen und im Gedanken an vergangene ergötzen.

In der uralten Stadt Neapel, die wohl ebenso anmutig ist oder anmutiger als irgendeine andere in Italien, lebte einst ein[244] junger Mann, der sich durch edle Abkunft und großen Reichtum auszeichnete und Ricciardo Minutolo hieß. Obgleich dieser nun selbst eine sehr schöne und liebenswürdige junge Frau hatte, verliebte er sich doch in eine andere, die nach allgemeinem Dafürhalten an Schönheit alle Neapolitanerinnen um vieles übertraf. Sie hieß Catella, war äußerst sittsam und mit einem jungen Manne vermählt, der Filippello Fighinolfi hieß, ebenfalls von Adel war und sie über alles liebte und wert hielt. Ricciardo Minutolo, der in seiner Liebe zu Catella alles mögliche tat, wodurch man die Neigung einer Dame zu erwerben pflegt, und dennoch nichts erlangen konnte, das seinen Wünschen entsprochen hätte, war der Verzweiflung nahe. Da ihm Geschick und Kraft fehlten, sich von dieser Liebe loszumachen, wußte er weder zu sterben, noch freute es ihn zu leben.

Während er sich nun in dieser Stimmung befand, geschah es, daß einige Damen, die mit ihm verwandt waren, ihn nachdrücklich ermahnten, er möge diese Liebe aufgeben, seine Mühe sei doch umsonst, denn Catella kenne kein anderes Glück auf der Welt als ihren Filippello, den sie so eifersüchtig liebe, daß sie von jedem Vogel in der Luft fürchte, er möge ihn ihr wegnehmen.

Kaum hatte Ricciardo von Catellas Eifersucht gehört, so faßte er seinen Wünschen gemäß einen neuen Entschluß. Er begann sich nämlich zu stellen, als gebe er die Liebe zu Catella auf und habe sein Herz statt dessen einer andern Edeldame geschenkt, der zu Ehren er denn auch Waffenübungen und Turniere und alles andere anstellte, was er sonst zu Ehren der Catella unternommen hatte. Er hatte dergleichen auch noch nicht lange getan, so war ganz Neapel und auch Catella der Meinung, daß er nicht mehr diese, sondern jene andere Dame auf das feurigste liebte. In diesem Benehmen verharrte er so lange, bis die Meinung von allen für unfehlbar gehalten wurde. Nicht nur von allen andern zu schweigen, Catella selbst ließ von einer gewissen Sprödigkeit ab, welche sie wegen seiner Liebe zu ihr angenommen hatte, und grüßte ihn freundlich als ihren Nachbarn, wie sie andere grüßte, wenn sie kam oder ging.

Nun geschah es, daß während der großen Hitze viele Gesellschaften[245] von Rittern und Damen nach neapolitanischer Sitte am Meeresstrand spazierten, um sich dort zu ergötzen und Mittag- oder Abendbrot zu genießen. Sobald Ricciardo wußte, daß Catella mit ihrer Gesellschaft dorthin gegangen war, begab er sich mit einigen seiner Bekannten an den gleichen Ort. Hier wurde er nun eingeladen, sich der aus Damen bestehenden Gesellschaft Catellas anzuschließen. Doch nahm er die Aufforderung erst an, nachdem er sich lange hatte bitten lassen, wie wenn er keine besondere Lust hätte, dort zu bleiben. Bald begannen die Damen, und unter ihnen vor allem Catella, ihn seiner neuen Liebe wegen zu necken. Er aber stellte sich gar sehr entflammt und gab ihnen dadurch nur Anlaß zu neuen Scherzen. Als man indessen weiterspazierte, verlor sich, wie es an jenem Ufer zu geschehen pflegt, die eine Dame dorthin, die andere dahin. Nachdem sich Ricciardo zuletzt bis auf wenige andere mit Catella allein sah, ließ er gegen sie ein Wort von einer gewissen Liebschaft ihres Gatten Filippello fallen, das sogleich ihre Eifersucht erweckte und sie vor Begierde, zu hören, was Ricciardo ihr zu sagen hätte, innerlich ganz entbrennen ließ. Eine Zeitlang versuchte sie, sich zurückzuhalten; dann aber vermochte sie es nicht mehr und beschwor Ricciardo bei seiner Liebe zu der Dame, die ihm am teuersten sei, sie über das aufzuklären, was er von Filippello gesagt habe.

Jener antwortete: »Ihr habt mich bei etwas so Teurem beschworen, daß ich Euch nicht zu verweigern weiß, was Ihr von mir fordert. Und so bin ich denn bereit, Euch Auskunft zu geben, wenn Ihr mir zuvor versprecht, daß Ihr weder gegen Euern Gatten noch gegen sonst jemand ein Wort darüber sagen wollt, bevor Ihr Euch nicht selbst durch den Augenschein überzeugt habt, daß das, was ich Euch erzählen werde, auch wahr sei. Und begehrt Ihr das, so will ich Euch zu dem letzteren Gelegenheit geben.« Der Dame gefiel die Forderung des Ricciardo, um derentwillen sie seine Reden für desto wahrer hielt, und sie schwor ihm, niemals davon zu sprechen.

Nachdem sie nun, um von den anderen nicht gehört zu werden, auf die Seite gegangen waren, begann Ricciardo also zu sprechen: »Madonna, liebte ich Euch noch, wie ich Euch einst geliebt habe, so hätte ich nicht den Mut, Euch etwas zu sagen,[246] wovon ich glaubte, daß es Euch Verdruß bereiten könnte. Nun aber, da jene meine Liebe vorüber ist, werde ich weniger ängstlich sein, Euch in allem die Wahrheit zu eröffnen. Ich weiß nicht, ob den Filippello jemals die Liebe, die ich für Euch empfand, verdrossen haben mag, oder ob er sich eingebildet hat, ich sei irgendeinmal von Euch geliebt worden. Wie dem auch sei, mir gegenüber hat er sich dergleichen niemals etwas anmerken lassen. Jetzt aber, vielleicht nachdem er so lange gewartet hat, bis er glauben mochte, ich werde am ehesten unbesorgt sein, läßt er deutlich die Absicht erkennen, mir das anzutun, was ich seiner Meinung nach zweifellos ihm getan habe: er will nämlich, daß meine Frau ihm zu Willen sei. Soviel ich weiß, hat er sie seit gar nicht langer Zeit insgeheim mit Anträgen bestürmt. Ich habe von alldem sogleich erfahren, und sie hat ihm alles geantwortet, was ich selbst ihr aufgetragen habe. Diesen Morgen erst, ehe ich hierherkam, fand ich zu Hause ein Frauenzimmer heimlich mit meiner Frau reden, und ich dachte mir gleich, sie müsse sein, was sie hernach wirklich war. Darum rief ich meine Frau und fragte sie, was jene haben wollte. ›Es ist wieder das Geplage von dem Filippello, den du mir mit deinem Antworten und Hoffnungmachen auf den Hals geladen hast, und nun läßt er bestellen, er wolle durchaus wissen, was ich zu tun gedenke; wenn ich wolle, könne er es einrichten, daß ich heimlich mit ihm in einem hiesigen Bade zusammenkomme, und darum bittet er mich nun gar sehr. Hättest du mich aber nicht, Gott weiß warum, gezwungen, auf diesen Handel einzugehen, so hätte ich ihn mir schon auf eine Weise vom Halse geschafft, daß er nie wieder nach mir hätte hinsehen sollen.‹ Das schien mir denn doch etwas zu weit zu gehen, um noch geduldet zu werden, weshalb ich auch beschloß, es Euch zu sagen, damit Ihr erfahrt, wie Euere aufrichtige Treue, um derentwillen ich einst dem Tode nahe war, belohnt wird.

Auf daß Ihr aber nicht etwa glauben möchtet, das seien nur Worte und Fabeleien, sondern imstande wäret, die Wahrheit offenbar zu sehen und mit Händen zu greifen, wenn Ihr Lust dazu bekämet, hieß ich meine Frau der Botin, die auf sie wartete, antworten, sie wäre bereit, morgen nachmittag, wenn die Leute schliefen, in das Bad zu kommen, worauf denn diese sehr[247] zufrieden wegging. Nun denke ich, Ihr werdet wohl nicht glauben, daß ich sie hinschicke. Wäre ich aber an Eurer Stelle, so würde ich es so einrichten, daß er mich an der Stelle derjenigen fände, die er dort zu finden glaubt, und wäre ich dann eine Zeitlang mit ihm zusammengewesen, so zeigte ich ihm, wen er umarmt hat, und sagte ihm die Artigkeiten, die ihm gebührten. Tätet Ihr das, dann müßte er sich, wie ich glaube, so sehr schämen, daß der Schimpf, den er Euch und mir antun will, zu gleicher Zeit gerächt wäre.«

Als Catella das vernahm, glaubte sie auf der Stelle den Worten Ricciardos, nach der Art der Eifersüchtigen unbekümmert darum, wer ihr das erzählt und welchen Betrug sie von seiner Seite zu erwarten hatte. Auch war sie sogleich geschäftig, gewisse kleine Ereignisse, die früher vorgefallen waren, damit zusammenzureimen. So antwortete sie denn, von jähem Zorne entflammt, sie werde gewiß so tun, es koste sie auch keine große Überwindung, und wenn er hinkomme, wolle sie ihn auf eine Weise beschämen, daß er sich sein ganzes Leben lang daran erinnern solle, sooft er ein Frauenzimmer zu sehen bekäme. Ricciardo war damit sehr zufrieden. Überzeugt, daß sein Plan gut sei und einen günstigen Fortgang nehme, bestärkte er sie noch mit vielen andern Worten in ihrem Vorhaben und festigte dadurch ihren Glauben. Zugleich aber bat er sie, niemals zu sagen, daß sie es von ihm erfahren habe, was sie ihm auch bei ihrer Ehre versprach.

Am folgenden Morgen ging Ricciardo zu dem dienstfertigen Weibe, das die Bäder hielt, die er der Catella angegeben hatte, machte sie mit seiner Absicht vertraut und bat sie, ihm in dieser Angelegenheit so hilfreich wie möglich zu sein. Diese Frau, die ihm von früher her viel Dank schuldete, versicherte, alles gerne tun zu wollen, und verabredete nun mit ihm, was zu tun und zu sagen sei. Nun hatte sie in ihrem Badehaus ein sehr dunkles Zimmer, dem es an einem Fenster oder einem anderen Lichtloch vollständig fehlte. Dieses machte die gute Frau nach der Anweisung Ricciardos zurecht und stellte das beste Bett, das sie auftreiben konnte, hinein, in welches sich Ricciardo, nachdem er gegessen hatte, legte, um die Dame zu erwarten.

Diese aber war, als sie die Worte Ricciardos gehört und[248] ihnen mehr Glauben beigemessen hatte, als sie verdienten, voller Zorn nach Hause zurückgekehrt. Zufällig kam Filippello, gerade an dem Abend auch mit anderen Gedanken beschäftigt, nach Hause und tat deshalb vielleicht nicht ganz so freundlich mit ihr, wie er sonst zu tun gewohnt war. Wie sie das bemerkte, wurde ihr Verdacht noch um vieles stärker, als er es zuvor schon gewesen war, und sie sagte bei sich selbst: »Wahrhaftig, der hat nur das Weib im Kopfe, mit dem er sich morgen Lust und Vergnügen verspricht; daraus soll aber gewiß nichts werden.« Mit solchen Gedanken und mit dem Grübeln über das, was sie ihm sagen wollte, nachdem er sie umarmt hatte, beschäftigte sie sich beinahe die ganze Nacht.

Um es kurz zu machen, so rief Catella, als die dritte Nachmittagsstunde gekommen war, ihre Dienerin und ging, ohne ihren Vorsatz irgend zu ändern, nach dem Bade, das Ricciardo ihr bezeichnet hatte. Hier fand sie jene gute Frau und fragte, ob Filippello an dem Tage schon dagewesen sei. Die Frau, die von Ricciardo unterrichtet worden war, antwortete: »Seid Ihr die Dame, die herkommen soll, um mit ihm zu reden?« Catella antwortete: »Ja, die bin ich.« »Nun«, sagte die gute Frau, »so geht nur zu ihm hinein.« Catella, die suchte, was sie lieber nicht gefunden hätte, ließ sich zu der Kammer führen, in der Ricciardo sich befand, trat mit verschleiertem Gesicht ein und schloß die Tür hinter sich zu. Als Ricciardo sie kommen sah, stand er freudig auf, nahm sie in seine Arme und sagte leise: »Willkommen, mein liebes Herz.« Catella, die Wert darauf legte, für eine andere gehalten zu werden, umarmte und küßte ihn und erwies ihm die größten Zärtlichkeiten, jedoch ohne ein Wort zu reden; denn sie fürchtete, erkannt zu werden, wenn sie spräche. Die Kammer war sehr dunkel, womit denn beide Teile sehr zufrieden waren, und selbst durch längeren Aufenthalt gewannen ihre Augen darin keine größere Kraft. Ricciardo führte sie zum Bette, und ohne ihre Stimmen zum Verräter werden zu lassen, verweilten sie hier zu ihrer beider Lust und Wonne eine geraume Zeit.

Als es aber endlich der Catella Zeit zu sein schien, den aufgespeicherten Groll loszulassen, begann sie, von glühendem Zorne entbrannt, also zu reden: »Ach, wie elend ist doch das[249] Geschick der Frauen, und mit welchem Unrecht wenden viele ihre Liebe ihren Ehemännern zu. Ich Unglückliche, acht Jahre sind es nun, seit ich dich mehr als mein Leben liebe, und du Bösewicht, du schändlicher Mensch, du glühst und verzehrst dich nun, wie ich eben erfahren habe, in der Liebe zu einem fremden Frauenzimmer. Wen denkst du denn umarmt zu haben? Die hast du umarmt, die du schon seit langem mit falschen Schmeichelreden und erheuchelter Liebe betrogen hast, während du eine andere liebtest. Ich bin Catella, du ruchloser Verräter, und nicht Ricciardos Frau. Ich bin es ganz gewiß, und du wirst mich an der Stimme wohl erkennen. Ich aber kann es nicht abwarten, bis wir im Hellen sind, um dich geilen, räudigen Hund zu beschämen, wie du es verdienst. Ach, ich unglückliches Weib, wem habe ich nun so viele Jahre lang treue Liebe bewahrt? Diesem ruchlosen Hunde, der mir jetzt, da er ein fremdes Frauenzimmer zu umarmen meinte, in den wenigen Augenblicken, die ich mit ihm zusammen war, mehr Liebkosungen und Schmeicheleien erwiesen hat als während der ganzen Zeit, da ich seine Frau bin. Ja, du abtrünniger Hund, heute hast du dich anstrengen können, und zu Hause bist du gewohnt, dich schwächlich, matt und unbrauchbar zu stellen. Aber gottlob, du hast nicht einen fremden Acker, wie du dachtest, sondern deinen eigenen gepflügt. Nun wundere ich mich nicht, daß du mich diese Nacht nicht anrührtest. Du dachtest, deine Ladung anderswo abzusetzen, und wolltest gern als ein wackerer Ritter ins Feld rücken. Aber, Gott und meiner Klugheit sei es Dank, diesmal ist der Fluß noch in seinem rechten Bette geblieben. Nun, was antwortest du nicht, du schändlicher Mensch? Warum bringst du keine Silbe vor? Bist du stumm geworden bei meinen Worten? Wahrhaftig, ich weiß nicht, was mich abhält, dir mit den Nägeln ins Gesicht zu fahren und dir die Augen auszureißen. Du dachtest mir diesen Streich gar heimlich zu spielen, aber, bei Gott, was einer weiß, erfährt der andere, und so ist es dir nicht gelungen. Ich hatte bessere Hunde auf deiner Fährte, als du dir denken mochtest.«

Ricciardo freute sich innerlich über diese Worte und küßte und umarmte sie immerfort, ohne ein Wort zu sagen, und tat mit ihr nur noch schöner als zuvor. Deshalb fuhr sie in ihrer[250] Rede fort und sagte: »Du denkst wohl, mit deinen erlogenen Liebkosungen mich zu bestechen, du widerwärtiger Hund, du denkst mich wohl zu beruhigen und wieder sanft zu machen? Da irrst du dich aber. Nicht eher werde ich dich mit dieser Geschichte zufrieden lassen, als bis ich öffentlich in Gegenwart aller unserer Verwandten, Nachbarn und Freunde dich ausgeschimpft habe. Und bin ich denn nicht etwa ebenso schön wie Ricciardo Minutolos Frau? Bin ich nicht aus ebenso guter Familie? Warum antwortest du nicht, du garstiger Hund? Was hat sie denn vor mir voraus? Weg mit dir, und unterstehe dich nicht mehr, mich anzurühren; du hast dich heute schon zu sehr angestrengt. Ich weiß ja nun doch nur zu genau, daß du dir Gewalt antun müßtest, wenn du mit mir etwas anfangen wolltest, seit du mich erkannt hast. Aber so wahr mir Gott helfe, ich werde dich noch nach mir hungern lassen. Ich weiß auch nicht, was mich abhält, mir den Ricciardo zu holen, der mich mehr als sich selbst geliebt hat und sich nicht rühmen kann, daß ich ihn einmal angesehen hätte. Wahrlich, niemand könnte mich darum tadeln. Du aber hast gedacht, seine Frau hier zu genießen, und was dich und deinen Willen betrifft, so ist es so gut, als ob es geschehen wäre. Du hättest also gewiß kein Recht, mir etwas vorzuwerfen, wenn ich mich mit ihm einließe.«

Auf solche Weise redete die Dame lange und beschwerte sich sehr. Endlich aber bedachte Ricciardo, welch großes Übel daraus entstehen könnte, wenn er sie in dieser Meinung gehen ließe, und so entschloß er sich, sie aus ihrem Irrtum zu reißen und sich ihr zu entdecken. Nachdem er sie also wieder in den Arm genommen hatte und so fest umschlungen hielt, daß sie sich nicht befreien konnte, sagte er: »Zürnt nicht, mein liebes Leben. Was ich durch Liebe allein von Euch nicht erlangen konnte, hat Liebe mit List gepaart mich gewinnen lassen. Ich bin Euer Ricciardo.«

Als Catella das hörte und ihn an der Stimme erkannte, wollte sie sogleich aus dem Bett springen, konnte sich aber nicht losmachen. Dann wollte sie schreien, aber Ricciardo verschloß ihr mit der einen Hand den Mund und sagte: »Madonna, es ist nun einmal unmöglich, das ungeschehen zu machen, was geschehen ist, und wenn Ihr auch Euer ganzes Leben lang schrieet.[251] Wollt Ihr aber schreien oder sonst auf irgendeine Weise jemand mitteilen, was zwischen uns vorgefallen ist, so wird das zwei Folgen haben. Die erste – und sie kann Euch unmöglich gleichgültig sein – ist, daß Eure Ehre und Euer guter Ruf zugrunde gehen. Möget Ihr immerhin sagen, ich habe Euch durch List hierher gelockt, so behaupte ich, es sei nicht wahr. Ihr seiet um Geld und Geschenke, die ich Euch versprochen, hierhergekommen, und Ihr habet diesen Lärm und Zank nur deshalb erhoben, weil Ihr zornig geworden wäret, daß ich Euch jene Geschenke nicht so reichlich gegeben, wie Ihr erhofft hättet. Und da Ihr wißt, daß die Leute immer eher das Böse als das Gute glauben, wird man viel mehr meinen Worten als Euren vertrauen. Außerdem wird daraus zwischen Eurem Mann und mir eine tödliche Feindschaft entstehen, und es könnte sich leicht treffen, daß ich ihn ebenso bald ums Leben brächte wie er mich, was Euch dann wieder ebensowenig Freude wie Vorteil gewähren dürfte. Und so bitte ich denn Euch, mein liebes Herz, nicht zugleich Euch selbst zu beschimpfen und Euren Mann und mich in Gefahr und Streit zu bringen. Ihr seid nicht die erste und werdet auch nicht die letzte sein, die betrogen wird. Auch habe ich Euch nicht betrogen, um Euch das Eurige zu nehmen, sondern ich tat es aus übermäßiger Liebe, die ich zu Euch hege und immer als Euer demütiger Diener zu hegen wünsche. Denn obgleich schon seit langer Zeit ich und alles, was mir gehört, was ich gelte und vermag, Euch zugehört und Eurem Dienste gewidmet ist, so denke ich doch, dies alles soll von nun an noch viel mehr als je der Fall sein. Ihr seid in andern Dingen so verständig, daß ich gewiß bin, Ihr werdet es auch diesmal sein.«

Catella weinte, während Ricciardo diese Worte sprach, heftig. So erzürnt sie aber war und so sehr die Sache sie verdroß, so war sie doch vernünftig genug, den wahren Worten Ricciardos Raum zu geben und einzusehen, daß es sich leicht so zutragen könnte, wie er ihr voraussagte. Deshalb erwiderte sie: »Ricciardo, ich weiß bei Gott nicht, wie ich es anfangen soll, um das zu erdulden, was du mir an Schimpf und Betrug angetan hast. Hier, wohin mich meine Einfalt und übermäßige Eifersucht geführt haben, will ich nun nicht weiter Lärm machen. Aber sei überzeugt, daß ich nicht eher froh werde, als bis[252] ich mich auf die eine oder andere Weise für den Streich, den du mir gespielt hast, gerächt sehe. Darum laß mich endlich los und halte mich nicht mehr. Du hast deinen Zweck erreicht und mich übel genug zugerichtet. Nun ist es Zeit, daß du mich läßt, und ich bitte dich, laß mich los.«

Ricciardo ersah aus diesen Worten, daß sie noch sehr aufgebracht war; er aber hatte sich vorgesetzt, sie nicht eher loszulassen, als bis sie sich gutwillig gefügt. Deshalb fing er wieder an, ihr mit den besten Worten zuzureden und sprach und bat so lange und beschwor sie so sehr, daß sie endlich nachgeben und mit ihm Frieden machen mußte. Darauf blieben sie noch, jetzt mit beiderseitigem Willen und großem Vergnügen, eine gute Weile beisammen. Und da nun die Dame bei dieser Gelegenheit sich überzeugte, wieviel wohlschmeckender die Küsse des Geliebten als die des Gemahls waren, verwandelte sie ihre Härte gegen den Ricciardo in süße Liebe, wandte ihm von diesem Tag an ihr ganzes Herz zu und wußte es mit vieler Vorsicht so einzurichten, daß sie noch viele Male sich ihrer Liebe erfreuen konnten. Gott gewähre uns die Freuden der unsrigen!

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 244-253.
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