Dritte Geschichte

[485] Monna Nonna de' Pulci gebietet durch eine treffende Antwort den unschicklichen Reden des Bischofs von Florenz Schweigen.


Als Pampinea ihre Geschichte beendet hatte und sowohl die Antwort als auch die Freigebigkeit des Cisti von allen sehr gelobt worden waren, beliebte es der Königin, daß Laurettas Erzählung folgte. Diese nun begann freudigen Mutes also zu reden:

Ihr holdseligen Mädchen, wie früher Filomena hat eben jetzt Pampinea sehr wahr gesprochen, wenn sie beide unseren Mangel an Talent und die Schönheit eines witzigen Wortes hervorhoben. Wenn deshalb hierauf zurückzukommen nicht mehr nötig scheint, so will ich euch, was auch immer schon von Witzworten gesagt, nur noch an dies eine erinnern: daß sie für den Hörer zwar beißend sein müssen, aber nur als bisse ein Lamm, und nicht ein Hund; denn bissen sie gleich einem Hunde, so wären sie nicht mehr ein Witzwort, sondern eine Grobheit. Und dem genügten vollkommen sowohl die Worte Madonna Orettas als auch die Antworten Cistis. Wird indessen ein solcher Einfall als Antwort gegeben, erscheint alsdann der Antwortende, obgleich bissig wie ein Hund, nicht zu tadeln, wenn er zuvor selber von einem Hunde gebissen war, obwohl ihn hätte Tadel treffen müssen, hätte er ohne solchen Anlaß auf diese Weise geredet. Darum soll man wohl acht haben, wie, wann und mit wem, nicht minder aber auch wo man sich auf Scherzreden einläßt. Diese Rücksichten beachtete einst ein Prälat[485] unserer Stadt so wenig, daß er keinen geringeren Hieb empfing, als er austeilte, wie ich euch dies in einer kleinen Geschichte erzählen will.

Um die Zeit, als Messer Antonio d' Orso, ein weiser und ehrenwerter Kirchenfürst, Bischof von Florenz war, kam ein katalanischer Edelmann, Messer Diego della Ratta genannt, als Marschall König Roberts nach Florenz. Schön von Gestalt, wie er war, dabei ein arger Weiberjäger, fand er unter den Frauen von Florenz besonders an einer Behagen, die ein schönes Weib und die Enkelin des Bruders jenes Bischofs war. Als er nun vernahm, daß ihr Mann, obwohl aus gutem Hause, ein schmutziger Geizhals und von niedriger Gesinnung sei, einigte er sich mit ihm, daß er ihm fünfhundert Goldgulden geben, dieser ihn dagegen eine Nacht bei seiner Frau schlafen lassen solle.

Obwohl es nun wider den Willen der Frau geschah, so schlief er doch bei ihr. Dann aber gab er dem Mann fünfhundert Silbergroschen, wie sie damals im Umlauf waren, die er inzwischen hatte vergolden lassen. In kurzem kam dies zu aller Ohren, und jener elende Wicht hatte Schande und Spott zugleich zu ertragen. Der Bischof aber, als ein verständiger Mann, stellte sich, als ob er von der Geschichte nichts wisse.

Inzwischen verkehrten der Bischof und der Marschall viel miteinander, und so geschah es, daß sie an einem Johannistage beide auf der Straße, wo das Wettrennen stattfindet, nebeneinander ritten und die Damen beschauten, wobei der Bischof eine junge Frau bemerkte, welche uns erst vor kurzem die gegenwärtige Pest geraubt. Ihr Name war Monna Nonna de' Pulci, eine Base des Messer Alessio Rinucci, und ihr alle mögt sie gekannt haben. Zu jener Zeit nun war sie eine jugendfrische und schöne Frau, die nicht auf den Mund gefallen war und das Herz auf dem rechten Fleck hatte, auch war sie erst vor kurzem in die Nähe der Porta San Piero verheiratet worden.

Schon von ferne zeigte der Bischof sie dem Marschall; als sie aber näher gekommen waren, legte er ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Nonna, was hältst du von diesem hier? Getrautest du dich, mit ihm fertig zu werden?« Nonna war der Meinung, daß diese Worte ihre Sittsamkeit antasteten und[486] geeignet seien, sie in der Meinung derer, welche sie gehört hatten – und es waren viele –, zu beflecken. Indes hielt sie es für geraten, nicht jenen Makel von sich abzuwaschen, sondern Stich mit Stich zu vergelten, und antwortete sogleich: »Herr, vielleicht würde er nicht mit mir fertig werden. Jedenfalls aber müßte er mir gutes Geld geben.«

Als Marschall und Bischof diese Antwort vernahmen, fühlten sich beide getroffen: der eine wegen der Unsittlichkeit, deren er sich gegen die Enkelin des Bruders des Bischofs schuldig gemacht hatte; der andere, weil ihm diese Schmach in der Enkelin des eigenen Bruders angetan worden war. Und so ritten sie beide, ohne einander anzuschauen, schweigsam und beschämt ihres Weges, ohne jenen Tag über weiter zu reden.

Der jungen Dame aber gereichte es nicht zum Vorwurf, daß sie, nachdem man sie angegriffen hatte, den Angriff durch einen beißenden Einfall abwehrte.

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 485-487.
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