Achte Geschichte

[562] Ein Ehemann wird eifersüchtig auf seine Frau. Sie wickelt sich einen Bindfaden um die Zehe, um gewahr zu werden, wann ihr Geliebter kommt. Der Mann merkt es. Während er aber den Liebhaber verfolgt, legt die Dame an ihrer Statt eine andere ins Bett, die vom Manne geprügelt wird und die Haare abgeschnitten bekommt. Dann eilt er zu ihren Brüdern, die ihn ausschelten, als sie finden, daß alles unwahr sei.


Der Streich, den Madonna Beatrice ihrem Manne gespielt, schien allen von ausgesuchter Bosheit zu sein, und jeder versicherte, daß Anichinos Furcht fürwahr nicht gering gewesen sein müsse, als er, von der Dame festgehalten, sie von seinen Liebesanträgen erzählen hörte. Als nun der König Filomena schweigen sah, wandte er sich zu Neifile und sprach: »Nun mögt Ihr fortfahren.« Diese begann, nachdem sie gelächelt:

Schöne Mädchen, ich habe eine schwere Aufgabe, wenn ich euch mit einer ebenso schönen Geschichte zufriedenstellen soll, wie die bisher erzählten es waren; doch mit Gottes Hilfe hoffe ich mich der Bürde leidlich zu entledigen.

Ihr müßt also wissen, daß einst in unserer Stadt ein reicher Kaufmann, namens Arriguccio Berlinghieri, lebte, der törichterweise, wie wir noch heute täglich Kaufleute tun sehen, durch[562] eine Frau zum Edelmann zu werden hoffte. Er hatte daher ein Edelfräulein geehelicht, das schlecht zu ihm paßte und Monna Sismonda hieß. Diese verliebte sich, da ihr Gatte, wie Kaufleute zu tun pflegen, viel umherzog und wenig bei ihr verweilte, in einen jungen Mann namens Ruberto, der ihr schon lange den Hof gemacht hatte. Nachdem sie nun mit ihm vertraut geworden war und sich bei dem großen Gefallen, das sie an diesem Umgang fand, vielleicht nicht allzu vorsichtig benahm, geschah es, daß Arriguccio, mochte er nun Wind davon bekommen haben, oder wie es sonst zugehen mochte, der eifersüchtigste Mensch von der Welt wurde, seine Reisen und seine Geschäfte vernachlässigte und fast seine ganze Sorgfalt nur darauf richtete, sie wohl zu hüten. Nimmer wäre er eingeschlafen, ehe er sie nicht hätte ins Bett kommen hören.

Dies nun geschah zum großen Leidwesen der Dame, da sie jetzt ihren Ruberto auf keine Weise mehr sehen konnte. Nach vielerlei Überlegungen, wie sie mit ihm, der sie ebenfalls heftig darum anging, zusammen sein könne, verfiel sie endlich auf folgenden Ausweg: da ihr Schlafgemach nach der Straße zu lag und sie oft bemerkt hatte, daß Arriguccio sehr schwer einschlummerte, allein dann auch um so fester schlief, beschloß sie, Ruberto um Mitternacht an die Haustür kommen zu lassen, ihm diese leise zu öffnen und, während der Gatte fest schlief, mit ihm zu verweilen. Damit sie nun, ohne daß es sonst jemand merkte, gewahr würde, wenn er käme, hängte sie einen Bindfaden zum Kammerfenster hinaus, der mit dem einen Ende bis auf die Straße hinabreichte, dessen anderes Ende aber über den Fußboden hinweg zu ihrem Bett führte, wo sie es, unter den Linnen versteckt, nach dem Zubettgehen an ihrer großen Zehe zu befestigen gedachte. Davon erzählte sie Ruberto und hieß ihn, wenn er käme, an dem Faden zu ziehen, worauf sie, wenn der Gatte schlief, den Faden losließe und ihm öffnete. Schlief Arriguccio aber nicht, so hielte sie den Faden fest und zöge ihn an sich, damit Ruberto nicht zu warten brauche.

Dem Ruberto gefiel diese Einrichtung überaus, und er ging oft hin. Bisweilen gelang es ihm, mit ihr zusammen zu sein, bisweilen auch nicht. Zuletzt jedoch, nachdem sie dieses Kunststück lange genug fortgesetzt hatten, geschah es in einer Nacht,[563] daß Arriguccio, während die Frau schlief, den Fuß im Bett ausstreckte und den Faden entdeckte. Sogleich griff er mit der Hand danach, und als er ihn an der Zehe seiner Frau befestigt fand, sagte er zu sich selbst: »Da muß irgendein Trug dahinterstecken.« Als er nun weiter bemerkte, daß der Faden zum Fenster hinausging, zweifelte er nicht mehr, schnitt ihn deshalb heimlich von der Zehe seiner Frau ab, befestigte ihn an seine Zehe und wartete nun aufmerksam, um zu erfahren, was dies zu bedeuten hätte.

Es dauerte auch nicht lange, bis Ruberto sich einfand. Er zog am Faden, wie er's gewohnt war, und Arriguccio fühlte es. Da er aber den Faden nicht fest genug angeknüpft hatte und Ruberto stark zog, gab der Bindfaden nach und kam dem Liebhaber in die Hand, weshalb er glaubte, warten zu müssen und dies auch tat. Arriguccio indessen stand schnell auf, ergriff seine Waffen und eilte zur Tür, um zu sehen, wer es wäre, und ihm dann übel aufzuspielen. Arriguccio war nun trotz seiner Kaufmannschaft ein heftiger und starker Mann. Als er daher zur Tür kam und sie keineswegs leise auftat, wie die Frau es zu tun pflegte, argwöhnte Ruberto, der draußen wartete und ihn kommen hörte, daß es der Ehemann sein könnte, der öffnete, so daß er aufs schnellste die Flucht ergriff; und Arriguccio lief hinter ihm her. Zuletzt jedoch, nachdem Ruberto schon eine große Strecke geflohen war und Arriguccio ihn zu verfolgen nicht nachließ, zog auch jener, da er gleichfalls bewaffnet war, das Schwert, wandte sich um, und sie begannen aufeinander loszuhauen.

Indes war die Frau, als Arriguccio die Kammertür öffnete, erwacht, und da sie fand, daß der Faden ihr von der Zehe geschnitten war, begriff sie sogleich, daß ihre List entdeckt war. Sie erriet auch, daß Arriguccio den Ruberto verfolgte, und stand daher schnell auf. Sie rief, da ihr bewußt ward, was weiter daraus folgen werde, ihre Magd, die um alles wußte, redete so lange auf sie ein, bis diese sich an ihrer Statt ins Bett legte, und bat sie zugleich, sich nicht zu erkennen zu geben und die Streiche ruhig auszuhalten, die Arriguccio ihr geben möchte. Dafür versprach sie der Magd reichlich Vergeltung, so daß sie sich darüber nicht sollte zu beschweren haben. Dann löschte sie[564] das Licht aus, das in der Kammer brannte, verließ diese und verbarg sich in einem andern Teil des Hauses, der Dinge harrend, die da kommen sollten.

Unterdes ging der Streit zwischen Arriguccio und Ruberto fort, so daß die Anwohner der Straße den Lärm vernahmen, aufstanden und die Kämpfenden zu schelten anfingen. Aus Furcht, erkannt zu werden, sah sich Arriguccio endlich genötigt – ohne erfahren zu haben, wer der junge Mensch war und ohne ihn irgendwie verletzen zu können –, den Kampf zornig und wütend abzubrechen und nach Hause zurückzukehren. Wieder in seiner Kammer angelangt, rief er zornsprühend aus: »Wo bist du, verruchtes Weib? Hast du das Licht ausgelöscht, damit ich dich nicht finden soll? Da hast du dich aber getäuscht!«

Damit trat er an das Bett, ergriff die Magd, in welcher er seine Frau zu fassen glaubte, und gab ihr, so gut er Hände und Füße nur rühren konnte, so viel Püffe und Tritte, daß er ihr das ganze Gesicht verunstaltete. Zuletzt schnitt er ihr gar die Haare ab und sagte ihr die ärgsten Schmähungen, die je einem schlechten Weibsbild gesagt wurden. Die Magd weinte heftig, wie sie denn Anlaß dazu genug hatte, und obschon sie mehrmals ausrief: »Wehe mir, Gnade, um Gottes willen!« oder »Höret auf!« wurde ihre Stimme doch so vom Weinen erstickt oder Arriguccio so von seinem Zorn betäubt, daß er nicht erkannte, daß es nicht seiner Frau Stimme war.

Nachdem er sie so nach Herzenslust zerbleut und ihr, wie berichtet, die Haare abgeschnitten hatte, sprach er: »Weiter will ich dich nicht anrühren, du schurkisches Weib. Aber zu deinen Brüdern will ich gehen und ihnen deine schönen Taten erzählen. Dann mögen sie kommen, dich abholen und mit dir machen, was sie glauben, daß ihre Ehre erheischt. Mitnehmen aber sollen sie dich, denn fürwahr, in diesem Hause sollst du nimmermehr bleiben.« Mit diesen Worten verließ er die Kammer, verschloß diese von außen und ging ganz allein davon.

Als Monna Sismonda, die alles mit angehört hatte, den Gatten sich entfernen hörte, öffnete sie das Schlafgemach, zündete das Licht wieder an und fand die Magd ganz zerschlagen und heftig weinend. Sie tröstete sie, so gut sie konnte, und schaffte sie in die Mägdekammer, wo sie sie in aller Stille warten und[565] pflegen ließ und sie auf Arriguccios Kosten so reichlich entschädigte, daß das Mädchen ganz zufrieden war. Sobald sie nun die Magd in der Kammer eingerichtet hatte, eilte sie, um das Bett in ihrer eigenen wieder zurecht zu machen und alles darin so in Ordnung zu bringen, als wenn diese Nacht kein Mensch darin gelegen hätte. Dann zündete sie die Lampe an, bekleidete sich, richtete ihr Haar, als wäre sie noch gar nicht zu Bett gegangen, setzte sich mit einem Licht und ihren Linnen oben an die Treppe und fing an zu nähen und zu warten, wie die Geschichte wohl ausginge.

Arriguccio war, so schnell er konnte, zum Hause seiner Schwäger geeilt, wo er so lange klopfte, bis er gehört wurde und man ihm öffnete. Die drei Brüder der Frau und ihre Mutter hörten kaum, daß es Arriguccio sei, als sie alle aufstanden, Lichter anzünden ließen und ihm entgegenkamen, um zu fragen, was er zu dieser Stunde und so allein begehre. Arriguccio nun erzählte ihnen alles, von dem Faden an, den er an der Zehe der Monna Sismonda befestigt gefunden, bis zu dem letzten, was er entdeckt und getan hatte; um aber diese Tatsachen vollständig zu beweisen, übergab er ihnen die Haare, welche er der Frau abgeschnitten zu haben glaubte, und fügte hinzu, sie möchten nun kommen, sie zu holen, um mit ihr zu machen, was sie ihrer Ehre angemessen glaubten; denn er seinerseits wolle sie nicht länger in seinem Hause dulden.

Heftig erzürnt über alles, was sie gehört hatten, und sehr aufgebracht, weil sie der Wahrheit dieses Berichts über ihre Schwester vollen Glauben schenkten, ließen die Brüder Fackeln anzünden, machten sich mit Arriguccio auf den Weg und gingen in der Absicht, ihr übel mitzuspielen, mit ihm zu seinem Hause. Als die Mutter dies sah, folgte sie ihnen weinend und beschwor bald den einen, bald den andern, sie möchten doch nicht alles sofort glauben, ohne mehr von der Sache zu sehen oder zu wissen. Der Mann könne ja aus andern Gründen gegen sie aufgebracht sein, ihr Unrecht getan haben und ihr jetzt zu seiner Entschuldigung solche Dinge zur Last legen. Überdies, fügte sie hinzu, könne sie nicht begreifen, wie das zugegangen sein solle, da sie ihre Tochter von klein auf erzogen habe und gut kenne, und so fort.[566]

Unter solchen Reden gelangten sie zu Arriguccios Haus, traten ein und stiegen die Treppe hinauf. Als Monna Sismonda sie kommen hörte, rief sie: »Wer ist da?« Einer der Brüder antwortete hierauf: »Das sollst du schon erfahren, schuldiges Weibsbild, wer da ist.« Hierauf entgegnete Monna Sismonda: »Was soll denn das bedeuten? Der Herr steh uns bei!« Dann stand sie auf und sprach: »Meine Brüder, seid mir willkommen, was führt euch alle drei zu dieser Stunde hierher?«

Als diese sie so beim Nähen sahen und in ihrem Gesicht keine Spuren von Schlägen entdeckten, während Arriguccio ihnen erzählt hatte, daß er sie weidlich zerbleut habe, wunderten sie sich gleich zu Anfang schon sehr und zügelten ihren ungestümen Zorn. Darauf fragten sie die Schwester, wie das zugegangen sei, worüber Arriguccio sich beklage, und drohten ihr heftig, wenn sie ihnen nicht alles genau sage. »Ich weiß nichts«, sprach die Frau, »was ich euch sagen soll, noch worüber Arriguccio sich beklagt haben kann.« Arriguccio, der sie nun erst genauer ansah, betrachtete sie wie ein Irrer. Er wußte, daß er ihr vielleicht tausend Faustschläge ins Gesicht gegeben, sie zerkratzt und ihr alles erdenkliche Übel der Welt angetan hatte; jetzt aber sah er sie so vor sich, als ob gar nichts von alldem vorgefallen wäre. Die Brüder indes teilten in der Kürze mit, was Arriguccio erzählt hatte, von dem Faden, den Schlägen und allem übrigen.

Darauf sprach die Frau, zu Arriguccio gewendet: »Wehe mir, Mann, was muß ich hören? Warum gibst du mich zu deiner eigenen Schmach für ein verworfenes Weib aus, das ich nicht bin; warum dich selbst für schlecht und grausam, ohne daß du es bist? Wann warst du denn diese Nacht zu Hause, geschweige denn bei mir? Wann schlugst du mich? Ich besinne mich auf nichts.« »Wie«, begann Arriguccio, »du schlechtes Weib, gingen wir nicht mitsammen zu Bett? Kehrte ich nicht dahin zurück, nachdem ich hinter deinem Buhlen hergelaufen war? Gab ich dir nicht unzählige Faustschläge? Schnitt ich dir nicht die Haare ab?«

»In diesem Hause«, antwortete die Frau, »hast du dich gestern abend nicht schlafen gelegt. Doch lassen wir alles andere, das ich doch nur durch meine wahrhaftigen Worte bezeugen[567] könnte, und kommen wir zu dem, was du vom Schlagen und Haarabschneiden sagst. Mich hast du nicht geschlagen, und ihr alle, die ihr anwesend seid, du selbst mit, seht mich an, ob ich an meinem ganzen Körper irgendein Zeichen von Schlägen habe. Auch wollte ich dir die Verwegenheit, Hand an mich legen zu wollen, nicht raten, denn beim Kreuze Gottes, ich kratzte dir die Augen aus. Auch kein Haar hast du mir abgeschnitten, daß ich es gefühlt oder gesehen hätte. Aber vielleicht hast du es getan, ohne daß ich es bemerkt? Laß sehen, ob meine Haare abgeschnitten sind!« Und nun nahm sie die Schleier vom Haupte und zeigte allen, daß ihr Haar nicht beschnitten, sondern unversehrt war.

Als die Brüder und die Mutter dies alles sahen und hörten, sprachen sie zu Arriguccio: »Was kannst du darauf sagen, Arriguccio? Das paßt fürwahr nicht zu dem, was du uns erzählt hast, und wir wissen nun nicht, wie du das übrige beweisen willst.« Arriguccio stand wie ein Träumender und wollte reden; aber da er sah, daß selbst das, was er beweisen zu können glaubte, sich anders verhielt, wagte er kein Wort mehr vorzubringen. Die Frau aber wandte sich nun zu ihren Brüdern und sprach:

»Ich sehe, meine Brüder, daß mein Mann danach gestrebt hat, daß ich tue, was ich niemals tun wollte, euch nämlich seinen schnöden Lebenswandel und seine Schlechtigkeit zu erzählen, und so will ich es denn tun. Ich glaube fest, daß ihm das, was er euch erzählt hat, wirklich begegnet ist und er es so getan hat, wie er sagt. Aber höret nun, wie. – Dieser Ehrenmann, dem ihr zu meinem Unglück mich zur Gattin gabt, der sich einen Kaufmann nennt und auch dafür gelten will, der mäßiger als ein Geistlicher und gesitteter als ein Mädchen sein sollte, dieser Mann läßt selten einen Abend hingehen, ohne daß er sich in den Schenken betränke, sich dann mit dieser oder jener schlechten Weibsperson einließe und mich bis Mitternacht, zuweilen auch bis zum Morgengeläut, so wie ihr mich gefunden habt, auf sich warten ließe. Nun bin ich überzeugt, daß er, wieder gehörig betrunken, sich zu irgendeinem seiner Weibsbilder ins Bett legte, beim Erwachen den Faden an ihrem Fuße fand und darauf alle die Heldentaten verübte, die er erzählt.[568] Er kehrte wohl noch einmal zurück, schlug sie und schnitt ihr die Haare ab, um dann, von seinem Rausch noch nicht ganz erwacht, sich einzubilden, daß er all dies mit mir vorgenommen habe. Und seht ihr ihm nur recht ins Gesicht, so werdet ihr erkennen, daß er noch jetzt halb betrunken ist. Jedenfalls aber dürft ihr alles, was er von mir auch gesagt hat, nur als die Rede eines Trunkenbolds betrachten, und wenn ich ihm vergebe, so vergebt auch ihr ihm.«

Als ihre Mutter diese Worte hörte, schlug sie Lärm und sagte: »Nein, mein Kind, beim Kreuze Gottes, das sollte nicht geschehen. Eher sollten wir diesen widerwärtigen und undankbaren Hund totschlagen, der wahrhaftig nicht wert war, ein Mädchen zu bekommen, wie du eines bist. Das fehlte nur noch! Ja, wenn er dich aus dem Schmutz aufgelesen hätte! Die Pest über ihn, wenn du dir die faulen Reden solch eines Eselsabschaums gefallen lassen sollst, eines Krämers, der vom Dorf und Gott weiß von welcher Beutelschneiderbande hereinkommt, in grobes Tuch gekleidet und mit hängendem Hosenboden, die Schreibfeder am Hintern, einer von denen, die, sobald sie drei Dreier besitzen, gleich die Töchter von Edelleuten und vornehmen Frauen heiraten wollen und sich Wappen zulegen und sprechen: ›Ich bin aus dem und dem Hause, und meine Ahnen haben es so und so gemacht.‹ Traun, ich wollte, meine Söhne wären meinem Rat gefolgt und hätten dich, wie sie konnten, in der Familie der Grafen Guidi an bescheidenere Mitgift verheiratet. Aber sie wollten dich nun einmal diesem Ausbund von Trefflichkeit überliefern, der sich nicht scheut, dich, das keuscheste Weib in ganz Florenz, um Mitternacht eine Metze zu schelten, als kennten wir dich nicht! Aber bei Gottes Treue, ging es nach mir, sie gäben ihm dafür solche Prügel, daß es ihm gründlich in den Leib führe.«

Dann wandte sie sich zu den Söhnen und fuhr fort: »Ich sagte es euch wohl, meine Kinder, daß das nicht sein konnte. Habt ihr jetzt gehört, wie euer trefflicher Schwager euere Schwester behandelt, so ein Windelkrämer mit vier Hellern, der er ist? Und wäre ich wie ihr und er hätte von ihr gesagt, was er gesagt hat, und triebe es so, wie er es treibt, wahrhaftig, ich wäre nicht zufrieden und beruhigt, bis ich ihn aus der Welt[569] geschafft hätte; und wäre ich ein Mann, wie ich ein Weib bin, ich ließe fürwahr keinen andern sich damit befassen. Herrgott, laß es ihm heimzahlen, dem jämmerlichen Trunkenbold, der keine Scham und Schande im Leib hat!«

Nun überhäuften auch die jungen Männer, die das alles mitangesehen und angehört hatten, den Arriguccio mit den schmählichsten Reden, die je einem üblen Manne gesagt wurden. Zuletzt aber sprachen sie: »Wir verzeihen dir diesen Streich als einem Trunkenen. Aber nimm dich bei deinem Leben von jetzt an in acht, daß wir nicht wieder solche Geschichten von dir hören; denn wahrlich, wenn uns dergleichen je wieder zu Ohren kommt, so sollst du doppelt bezahlen.« Und nach diesen Worten gingen sie davon.

Arriguccio stand da, als hätte er den Kopf verloren, ohne selbst zu wissen, ob das, was er getan hatte, wirklich geschehen sei oder ob er es nur geträumt habe. Ohne je wieder ein Wort darüber zu reden, ließ er die Frau fortan in Frieden. Diese aber war durch ihre Schlauheit nicht nur der drohenden Gefahr entgangen, sie hatte sich auch die Bahn geöffnet, um in Zukunft alles tun zu können, was sie wünschte, ohne sich dabei im geringsten vor ihrem Manne zu fürchten.

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 562-570.
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