46.

[137] Einem Kranken sollte das Abendmahl gebracht werden. Der Pastor sagte dem Küster, er sollte nur voraufgehen; er, der Pastor, würde gleich nachkommen. Als der Küster nun auf dem Wege war, begegnete ihm der Pastor schon, als käme er von dem Kranken zurück. Der Küster sah es ganz genau: es war sein Schimmel und sein Mantel, und lautlos ritt der Pastor an ihm vorüber. Dem Küster ging ein Schauder über den Rücken, doch er ging weiter zu dem Kranken. Da kam der Pastor auch bald hin, und sie gaben dem Kranken das heilige Abendmahl. Als sie dann weggingen, erzählte der Küster dem Pastor: an der und der Stelle wäre er ihm vorhin schon begegnet. Als sie an der Stelle waren, kam ihnen wieder der Reiter entgegen, dem Pastor sein Ebenbild. Da rief ihn der Pastor an: »Teufel! Was thust du in meiner Gestalt?« Sprach der Teufel: »So lange du den Mantel da trägst, der auf den heiligen Christabend genäht ist, so lange habe ich auch Gewalt, in deiner Gestalt zu gehen.« – Da ritt der Pastor schnell nach Hause, machte ein Feuer an und verbrannte den Mantel; und von der Zeit an nahm der Pastor den Schneider immer ins Haus, dann wußte er, daß sein Zeug nicht an einem heiligen Tage gearbeitet wurde.

Quelle:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. München 1910, S. 137.
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